Landesarchiv erhält Förderung für Provenienzforschung
Als erstes Archiv in Baden-Württemberg und als eines von erst sechs geförderten Archiven im gesamten Bundesgebiet hat das Landesarchiv Baden-Württemberg vom Bund eine Zusage zur Förderung seiner Provenienzforschung erhalten.
"Dass wir durch die Förderentscheidung nun auch die Archive des Landes systematisch für die Provenienzforschung öffnen können und gezielt der Frage nachgehen, ob sich dort verfolgungsbedingt entzogenes jüdisches Kulturgut befindet, ist ein wesentlicher Schritt, um die Provenienzforschung insgesamt auszubauen und damit historische Gerechtigkeit herstellen zu helfen", erklärte Staatssekretär Jürgen Walter in Stuttgart.
Bewilligt wurden Mittel für ein ambitioniertes Projekt zur Grundlagenforschung, das vorerst auf ein Jahr angelegt ist und je zur Hälfte vom Bund sowie vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg finanziert wird. Im Generallandesarchiv Karlsruhe soll ein Online-Inventar die allzu oft verschlungenen Wege geraubter oder verfolgungsbedingt entzogener Kunst- und Vermögensobjekte nachvollziehbar machen. Andere Kultur- und Gedächtnisinstitutionen werden damit in die Lage versetzt, die Herkunft von unter zweifelhaften Umständen erworbenen Gegenständen leichter und schneller zu klären.
Über die Unterstützung anderer Gedächtnisinstitutionen hinaus wird sich das Generallandesarchiv im Rahmen des Projekts auch mit der eigenen Vergangenheit beschäftigen. "Schenkungen" von Kultureinrichtungen besetzter Gebiete sind dabei ebenso auf ihre Rechtmäßigkeit zu hinterfragen wie die Übernahme von Sammlungsschriftgut aus privater Hand und die Erwerbungen der Dienstbibliothek. Der Präsident des Landesarchivs, Robert Kretzschmar, sieht hierin die Besonderheit des Projekts: "Das Landesarchiv stellt sich einer doppelten Aufgabe: Auf der einen Seite erbringen wir zentrale Dienstleistungen für die historische Forschung. Auf der anderen Seite widmen wir uns der Aufarbeitung unserer eigenen Geschichte und der früheren Praxis bei der Übernahme von Archiv- und Bibliotheksgut".
Dass auch bei dem in Archiven verwahrten Kulturgut Klärungsbedarf besteht, zeigt ein Beispiel ebenfalls aus Karlsruhe. 2014 erhielt die Jüdische Gemeinde Karlsruhe vom Generallandesarchiv ein während der Zeit des Nationalsozialismus geraubtes Porträt des badischen Finanzministers Moritz Ellstätter zurück, das dem Archiv erst 1953 überlassen worden war.
In Karlsruhe werden jetzt diejenigen Unterlagen einer systematischen Prüfung unterzogen, in denen Hinweise auf die ursprünglichen Besitzer von Kunst- und Vermögensobjekten zu erwarten sind. "Auf Grundlage unserer Vorrecherchen gehen wir von etwa 300 Fällen aus, die im Detail zu klären sind", so Wolfgang Zimmermann, Leiter des Generallandesarchivs. Neben dem Verwaltungsschriftgut von Museen in Baden und dem Elsass sind auch Aufzeichnungen von Polizei- und Justizbehörden sowie der Finanzverwaltung zu durchforsten. Im Rahmen der themenorientierten Inventarisierung sollen Geschädigte und Profiteure erfasst und eine möglichst genaue Beschreibung der ermittelbaren Kunstwerke erstellt werden.
"Mit weiteren Fällen dieser Art ist zu rechnen," so Robert Kretzschmar. "Die Anstrengungen des Landesarchivs zur Provenienzforschung sollen deshalb nicht auf den Standort Karlsruhe beschränkt bleiben". Vielmehr sind auch in den anderen Abteilungen Nachforschungen vorgesehen.
Das Projekt wird gefördert von der Beauftragten für Kultur und Medien durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.