Kulturschätze begreifbar machen
Das Landesarchiv Baden-Württemberg macht einmalige Kulturschätze mit Hilfe einer neuen Scanner-Technologie leichter zugänglich. Dank 3D-Digitalisierung können Interessierte auf ihrem Bildschirm wertvolle Objekte nun genauer unter die Lupe nehmen. Davon sollen Forschung und Öffentlichkeit profitieren.
Die Goldene Bulle zählt zu den wertvollsten Schätzen des Landesarchivs Baden-Württemberg. Dieses „Grundgesetz“ von 1356, das zum Weltdokumentenerbe der UNESCO gehört, wird in einem Tresor im Hauptstaatsarchiv Stuttgart verwahrt. Interessierte konnten auf ihrem Bildschirm bereits darin blättern, weil die einzelnen Seiten vor einigen Jahren eingescannt wurden. Nun können sie die Bulle quasi in die Hand nehmen und von allen Seiten betrachten, ebenso wie das goldene Siegel, das ihr den Namen gab, und die wertvolle Schatulle, die der württembergische Herzog und frisch gekürte Kurfürst Friedrich II. 1803 für das kostbare Dokument anfertigen ließ.
Möglich macht dies die 3D-Digitalisierung, die jetzt zum ersten Mal im Landesarchiv eingesetzt wurde. Dabei erfasst ein Roboterarm die Objekte von allen Seiten und überträgt den jeweiligen virtuellen Klon auf rechenstarke Computer – inklusive Farbe und Textur. „Dank des genauen Erfassungsverfahrens können die 3D-Modelle historischer Unikate wissenschaftlich belastbar für Forschungszwecke eingesetzt werden. Gleichzeitig können wir sie über einen Web-Viewer der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen“, sagt Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs Baden-Württemberg. Entwickelt hat das Gerät die Firma Verus Digital aus Darmstadt, eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung (IGD).
Zu den weiteren Objekten, die 3D-digitalisiert wurden, gehören beispielsweise ein Spazierstock des letzten württembergischen Königs, Wilhelm II., gefertigt aus einem Geweih, Uhr und Zylinder des letzten Staatspräsidenten von Baden, Leo Wohleb, und Mini-Fußballschuhe mit den Unterschriften der Weltmeister-Elf von 1954. Und auch die Pistolen, mit denen ein Attentäter 1861 den preußischen König Wilhelm I. während eines Kuraufenthaltes in Baden-Baden töten wollte, sind darunter.
Die fertigen 3D-Modelle sind hier auf der Website unter Präsentationen und Themenzugänge und auf dem Kulturportal des Landes, LEO-BW zu sehen.
Information
Die 3D-Digitalisierung wird in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt, etwa in der Industrie und der Bauwirtschaft, im Gesundheitswesen und in der Kreativwirtschaft. Sie unterstützt auch die digitale Dokumentation, Präsentation und Erhaltung von Kulturgütern. Damit erleichtert sie die Arbeit von wissenschaftlichen und privaten Nutzerinnen und Nutzern. Die von der IGD entwickelte Technologie ermöglicht es, komplexe Objekte zwischen einem Zentimeter und zwei Metern Größe dreidimensional und farbecht zu erfassen. Durch eine einzigartige künstliche Intelligenz werden die besten Kamerapositionen und -winkel berechnet, damit automatisch hochauflösende 3D-Modelle generiert werden. Dadurch wird der Arbeitsaufwand bei der Digitalisierung gegenüber herkömmlichen Verfahren deutlich gesenkt und die Qualität in puncto Form und Farbe verbessert.