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Provenienzforschung im Generallandesarchiv Karlsruhe
Unterlagen zur "Arisierung" von Kunst- und Kulturgut
Der Rechercheratgeber zum NS-Kunstraub wendet sich sowohl an Personen, die der Herkunft bzw. dem Verbleib eines Gegenstands nachgehen, als auch an interessierte Bürgerinnen und Bürger, die sich mit den Vorgängen im Südwesten und im Elsass auseinandersetzen wollen. Zur Herrschaftspraxis im Nationalsozialismus gehörten weitreichende Eingriffe in private Eigentumsverhältnisse zu Gunsten der öffentlichen Hand. Gegenstand der politisch motivierten Plünderungen war unter anderem Kulturgut, beispielsweise Werke der bildenden Kunst und des Kunsthandwerks, Bücher, Schriftgut, Sammlungen. Die Folgen des NS-Kunstraubs wirken bis in die Gegenwart. In öffentlichen Sammlungen und auf dem Kunstmarkt finden sich nach wie vor Gegenstände, die den Eigentümern nicht zurückerstattet wurden.
Weitere Recherchehinweise und -hilfsmittel sowie Informationen zu einzelnen Objekten sind der Lost-Art-Datenbank und einer Website der Commission for Looted Art in Europe zu entnehmen. Ein deutschlandweiter Überblick über die Projekte zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubs findet sich unter www.kulturgutverluste.de.
Eine Quellensammlung finden sie hier:
Weiterführende Links
Recherchewege
Der Rechercheratgeber bietet Ihnen, je nach Ausgangslage, unterschiedliche Recherchewege an:
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Quellen zu Gegenständen, deren Voreigentümer bekannt sind
Von den Umständen einer Erwerbung bzw. einer Veräußerung hängt ab, ob ein Gegenstand als NS-verfolgungsbedingt entzogen angesehen werden muss. Nachzuweisen sind beispielsweise der Verkauf von Objekten zur Finanzierung einer Auswanderung oder zur Bestreitung von Zwangsabgaben („Judenvermögensabgabe“), Beschlagnahmen im Rahmen der Strafverfolgung oder der Vermögensverfall infolge der Deportation. Die Feststellung, dass der Verlust eines Gegenstands auf Repressalien durch das NS-Regime zurückgeht, ist demnach eng verknüpft mit dem Schicksal seiner Eigentümerin oder seines Eigentümers. Bestimmte Umstände ihres Lebens lassen sich mit der in Staatsarchiven vorhandenen, überwiegend amtlichen Überlieferung erhellen. Von Vorteil ist dabei, dass sich anders als im Fall einzelner Kunstwerke in der Behördenüberlieferung systematisch nach den Namen der Personen recherchieren lässt.
Vorraussetzungen für die Recherche
Die Recherche nach den Umständen des Verlusts eines Gegenstands setzt voraus, dass die Voreigentümerin oder der Voreigentümer eindeutig identifiziert wurden. Wem eine Sache vor dem Übergang in die öffentliche Hand gehört hat, kann hervorgehen aus:
- Vermerken am Objekt (z. B. Rückenschilder, Beschriftungen, Exlibris),
- Geschäftsunterlagen der über den Gegenstand verfügenden Einrichtung,
- Unterlagen in Privathand (z. B. Fotos, Sammlungsverzeichnisse, Briefe),
- Ausstellungs- oder Auktionskatalogen.
Vor Beginn der Recherche nach den Umständen des Übergangs eines Gegenstands aus der privaten in die öffentliche Hand oder auf den Kunstmarkt empfiehlt sich der Abgleich mit Meldungen über die betreffende Person in der Lost-Art-Datenbank , der Objektdatenbank der Commission for Looted Art in Europe und der Datenbank des österreichischen Nationalfonds. Möglicherweise ist schon jemand dem Schicksal einer oder eines Betroffenen nachgegangen und kann Arbeitsergebnisse weitergeben.
Ist dies nicht der Fall, sollte – soweit noch nicht geschehen – versucht werden, bezogen auf die Voreigentümerin oder den Voreigentümer den Untersuchungsraum geografisch einzugrenzen (z. B. Wohnsitz, Geschäftssitz, Hafen der Auswanderung, durch Leihgaben o. ä. besondere Beziehungen zu einer Kulturgut verwahrenden Einrichtung). Ein Ortsbezug ist der entscheidende Anhaltspunkt, um sich in der amtlichen Überlieferung zu orientieren. Er verweist auf die Sprengel möglicherweise zuständiger Behörden und auf deren Überlieferung in staatlichen oder kommunalen Archiven.
Für als Juden verfolgte Personen lässt sich der Ortsbezug (Geburtsort, ständiger Wohnsitz vor dem Krieg, Aufenthaltsorte während des Krieges) möglicherweise über die zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer recherchieren. Entsprechende Angaben speziell für Baden-Württemberg enthält der Band:
- Die Opfer der nationalsozialistischen Judenverfolgung in Baden-Württemberg 1933-1945. Ein Gedenkbuch, herausgegeben von der Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1969.
Durchführung der Recherchen
Ist der Ort identifiziert, lässt sich in zeitgenössischen Unterlagen der dort zuständigen Behörden nach Nennungen der fraglichen Person recherchieren. Hierfür ist maßgeblich, dass Verwaltungsschriftgut seiner Form und seinem Inhalt nach kategorisiert wird:
1. Sachakten enthalten formal und inhaltlich variierende Vorgänge, die ihrem Gegenstandsbereich nach in einem bestimmten Zusammenhang stehen.
2. Dagegen dokumentieren Einzelfallakten den Vollzug massenhaft gleichförmiger und sachlich gleichartiger Verwaltungsverfahren (z. B. Veranlagung zur Steuer, Verfahren zur Rückerstattung und "Wiedergutmachung"). Soweit sie sich auf eine bestimmte Person beziehen, kann diese im Titel einer Einzelfallakte genannt sein. Solche Nennungen sind in den archivischen Findmitteln recherchierbar.
Für eine solche personenbezogene Recherche nach NS-Raubgut bilden die unterschiedlichen Serien von Einzelfallakten zur Rückerstattung und "Wiedergutmachung" die dichteste Überlieferung aus dem ehemaligen Land Baden: Sie finden sich zum einen in der Justizüberlieferung, da die Regulierung der Ansprüche als gerichtliches Verfahren angelegt war (276-1 Amtsgericht Mannheim, Schlichter für Wiedergutmachung; 480 Landesamt für die Wiedergutmachung, Einzelfallakten), zum anderen in Beständen der Finanzverwaltung, die an den Verfahren als Beklagte beteiligt war, um die Interessen des Fiskus zu vertreten (508 Zugang 1968-23 Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Rückerstattung;508 Zugang 2004-60 Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Rückerstattungsakten).
Verglichen mit den Unterlagen aus der Nachkriegszeit sind Einzelfallakten aus Verwaltungsverfahren der NS-Zeit erheblich seltener nachweisbar. Solche aus den Finanzämtern über die Veranlagung zur Steuer oder zur „Judenvermögensabgabe“ haben sich nur in geringer Zahl erhalten. Vor diesem Hintergrund ist eine Serie von Fallakten über Versteigerungen aus dem Eigentum von antisemitisch verfolgten Personen, die der Gerichtsvollzieherdienst des Amtsgerichts Heidelberg durchgeführt hat, von herausragender Bedeutung (Bestand 269 Zugang 1996-12 Amtsgericht Heidelberg). Gleiches gilt für die so genannten „Arisierungsakten“ des badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums, die überwiegend den Raub von Unternehmen und Liegenschaften zum Gegenstand haben (Bestand 237 Zugang 1967-19 Finanzministerium).
Die Überlieferungslücken in den Fallaktenserien aus der NS-Zeit sind nicht in jedem Fall auf Kriegsverluste oder behördliche Kassationen zurückzuführen. In einer unbestimmten Menge von Fällen wurden die Akten zur Rückerstattung und "Wiedergutmachung" zum Nachweis etwaiger Ansprüche mit Dokumenten aus der NS-Verwaltung angereichert.
Unter den Fallaktenserien aus der Nachkriegszeit sind auch die Akten zur so genannten „Vermögenskontrolle“ einschlägig. Die Militärregierung unterwarf neben dem Vermögen der öffentlichen Hand sowie der NSDAP und ihrer Gliederungen auch die durch das NS-Regime geplünderten Vermögenswerte vorläufig ihrer Kontrolle. Wer solche besaß, unterlag einer Anmeldepflicht gegenüber der Besatzungsverwaltung. Daraus und aus der Verwaltung dieser Vermögen sind Einzelfallakten hervorgegangen. Für das amerikanisch besetzt gewesene Nordbaden werden sie heute im Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrt, für das französisch besetzt gewesene Südbaden finden sie sich im Staatsarchiv Freiburg.
Wird nach Quellen über Gegenstände recherchiert, deren Voreigentümer bekannt sind, empfiehlt es sich, den Ort des Vorgangs und die dort zuständigen Behörden zu identifizieren und ihrem Verwaltungshandeln in Bezug auf die Person des Betroffenen nachzugehen. Die Zuständigkeiten in Frage kommender Behörden und die Eigenheiten der badischen Verwaltungsentwicklung werden in den Einträgen im sachthematischen Inventar "Kunstraub und 'Arisierung' 1933 – 1945" erläutert.
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Quellen zu Gegenständen, deren Voreigentümer nicht bekannt sind
In öffentlichen Sammlungen und auf dem Kunstmarkt finden sich kulturhistorisch wertvolle Gegenstände, die selbst keine Hinweise auf die Personen tragen, denen sie durch das NS-Regime entzogen worden waren. Zwar besteht die Möglichkeit, dass sich bei der Stelle, die ein Objekt aktuell verwahrt, Unterlagen mit Anhaltspunkten über dessen Herkunft finden. Aber oft genug fehlt ein aussagekräftiger Überlieferungskontext. Ein Anlass für solche Störungen in der Überlieferung sind beispielsweise die so genannten Erwerbungen ‚aus zweiter Hand‘. In diesen Fällen wechselten Gegenstände nach ihrer „Arisierung“ erneut den Besitzer und wurden von der aktuell verwahrenden Stelle aus den Händen von Profiteuren des NS-Kunstraubs erworben.
Um den Rechercheaufwand zu begrenzen, wird vor Beginn der Untersuchungen in der archivalischen Überlieferung empfohlen, die „Suchmeldungen“ in einschlägigen Datenbanken auf eine etwaige Nennung des fraglichen Gegenstands zu überprüfen:
Website der Commission for Looted Art in Europe
Datenbank des österreichischen Nationalfonds
Amtliche und nichtamtliche Unterlagen
Das staatliche Archivgut ist eine Möglichkeit, Anhaltspunkte auf die Opfer der „Arisierung“ eines bestimmten Gegenstands zu finden. Es enthält überwiegend Behördenschriftgut.
Davon zu unterscheiden sind nicht-amtliche Unterlagen aus Privathand (Briefe, Fotos, Geschäftsunterlagen gewerblicher Betriebe). Solche finden sich seltener in Staatsarchiven. Für ihre Verwahrung kommen auch zahlreiche nicht-staatliche Archive in Betracht. Beim Kunsthandel beispielsweise ist an die Wirtschaftsarchive oder das Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels (ZADIK) zu denken.
An dieser Stelle können lediglich Hinweise zu Recherchen in behördlicher Überlieferung formuliert werden. Sie unterliegen einer wichtigen inhaltlichen Einschränkung: Private Eigentumsverhältnisse lassen sich in amtlichem Schriftgut nur insoweit fassen, als dass sie einen Bezug zu Verwaltungshandeln aufweisen. In dieser Hinsicht sind vor allem die Unterlagen aus der Geschäftstätigkeit staatlicher Kulturgut verwahrender Einrichtungen einschlägig. Dies nicht nur, weil öffentliche Museen, Bibliotheken und Archive Gegenstände aus Privathand erworben haben können und möglicherweise in ihren Beständen verwahren. Diese Stellen sind auch Träger wissenschaftlicher Fertigkeiten, die sie in der NS-Zeit bei der Identifizierung, Bewertung und „Verwertung“ kulturhistorisch wertvoller Gegenstände zu gefragten Ansprechpartnern machten. Jenseits der Kultusverwaltung kommen ebenfalls mehrere Umstände in Betracht, derentwegen behördliche Unterlagen private Eigentumsverhältnisse belegen: So können staatliche Stellen einschlägige Dokumente in Verwahrung genommen haben (z. B. Testamente, Eheverträge). Ferner weisen Unterlagen bestimmter Behörden staatliche Eingriffe in Privateigentum (z. B. Beschlagnahmungen) oder Maßnahmen zur Verwirklichung von Eigentumsrechten (Rückerstattung, ‚Wiedergutmachung‘) nach.
Systematische Recherche in Einzelfall- und Sachakten
Die Recherchen nach den Voreigentümern eines kulturhistorisch wertvollen Gegenstands in staatlichem Archivgut unterliegen mehreren Bedingungen:
1. Die vorhandene Überlieferung bezieht sich mehrheitlich auf einen bestimmten geografischen Raum (Sprengel).
2. Behördenschriftgut gliedert sich – vereinfacht gesprochen – in Sachakten und Einzelfallakten.
3. Die Erschließung des Archivguts reicht meist nicht so tief, dass in den Findmitteln einzelne Gegenstände genannt sind.
Der unterschiedliche inhaltliche Zuschnitt des Schriftguts verweist auf zwei Vorgehensweisen: Einzelfallakten belegen gleichförmige Verwaltungsverfahren in Bezug auf unterschiedliche natürliche oder juristische Personen. Sie können anhand der Namen derjenigen recherchiert werden, auf die sich der Inhalt der Akte bezieht. Sie können aber auch für Recherchen herangezogen werden, in denen der Name einer Person überhaupt erst ermittelt werden soll. Das setzt voraus, dass sich die Untersuchungen auf die Vorgänge in einem bestimmten Ort eingrenzen lassen. Die bei den Behörden an dem betreffenden Ort entstandenen Akten werden dann auf eine Nennung des fraglichen Gegenstands hin durchgesehen.
Aufwendiger ist die Recherche in umfangreichen Serien von Einzelfallakten aus Behörden mit landesweiter Zuständigkeit (z. B. Bestand 480 Landesamt für die Wiedergutmachung). Weil nicht für jedes Archivale eine Ortsangabe in den Erschließungsinformationen erfasst ist, muss ein Zwischenschritt erfolgen, um die Stichprobe möglicherweise einschlägiger Akten geografisch einzugrenzen. Anhand der Sekundärliteratur (z. B. der zentralen Datenbank der Namen der Holocaustopfer oder des Gedenkbuchs "Die Opfer der nationalsozialistisches Judenverfolgung in Baden-Württemberg 1933 – 1945. Ein Gedenkbuch, herausgegeben von der Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1969) ist zu ermitteln, wer an einem Ort von NS-Repressalien betroffen war. Anschließend kann mit Hilfe der archivischen Findmittel geprüft werden, zu wem eine Einzelfallakte überliefert ist. In den nachweisbaren Akten wäre dann dem fraglichen Objekt nachzugehen. Für den Bestand 276-1 Amtsgericht Mannheim: Schlichter für Wiedergutmachung wurde auch der Gegenstand des Verfahrens in den Erschließungsinformationen erfasst. Damit lassen sich auf bestimmte Objekte oder Objektgruppen (z. B. „Gemälde“) bezogene Stichproben bilden.
In Sachakten ist der Geschäftsanfall einer Behörde in Form von Vorgängen geordnet nach bestimmten Sachzusammenhängen niedergelegt. Unter welchen Umständen kulturhistorisch wertvolle Gegenstände in Behördenschriftgut erwähnt sein können, wurde weiter oben skizziert. Demnach lassen sich für die jeweilige Recherche einschlägige Unterlagen feststellen, indem der Kenntnisstand zur Geschichte eines Objekts in Beziehung gesetzt wird zu den historischen Zuständigkeiten einzelner Behörden. Deuten die Umstände etwa auf den Bezug zu einem bestimmten Ort hin (z. B. das Vorhandensein in einem Heimatmuseum), kann zunächst in den Beständen der dort ansässigen Unterbehörden (Landratsämter, Finanzämter, Amtsgerichte) recherchiert werden. Möglicherweise wurde der Gegenstand polizeilich beschlagnahmt, beim Finanzamt als Vermögenswert angemeldet oder nach dem Ende des NS-Regimes an einer der Stellen ein Rückerstattungsanspruch geltend gemacht.
Lässt sich der räumliche Bezug nicht konkreter fassen als der Sprengel des Staatsarchivs, in dem recherchiert werden soll, besteht die Möglichkeit, in ‚Leitbeständen‘ zu recherchieren. Darunter sollen hier solche Bestände verstanden werden, die eine besonders hohe Dichte an Nennungen kulturhistorisch wertvoller Gegenstände aufweisen oder die aus Behörden mit einschlägiger landesweiter Zuständigkeit herrühren. Für die badische Überlieferung trifft beides beispielsweise auf die Unterlagen aus dem Bestand 441-3 Staatliche Kunsthalle Karlsruhe zu. Darin ist neben der Arbeit dieser Einrichtung auch die Geschäftstätigkeit der „Generaldirektion der oberrheinischen Museen“ belegt. Sie leitete nach der deutschen Besetzung des Elsass die museale Tätigkeit einschließlich der Begutachtung beschlagnahmter Objekte und der Ankäufe für die öffentlichen Sammlungen im badischen und französischen Oberrheingebiet.
Je nach Art des Objekts kommen aber auch die Bestände anderer Landeseinrichtungen in Betracht. Beispielsweise profitierte die Badische Landesbibliothek von der Plünderung privater Buchbestände. Das Badische Generallandesarchiv und das Gauarchiv der NSDAP konkurrierten bei der Erwerbung von Schriftgut aus Privathaushalten, Vereinen und jüdischen Gemeinden. Auch außerhalb der Kultusverwaltung lassen sich entsprechende Aktivitäten nachweisen, etwa bei der Staatlichen Münze Karlsruhe. Welche Einrichtungen für welche Objektgruppen zuständig waren, wird in den Einträgen im sachthematisches Inventar "Kunstraub und ‚Arisierung‘ 1933 – 1945" erläutert.
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Hinweise auf möglicherweise anspruchsberechtigte Personen
Die Recherche nach Personen, die einen NS-verfolgungsbedingt entzogenen Gegenstand aktuell zurückerhalten können, setzt eine eindeutige Zuordnung des fraglichen Objekts zu der vom NS-Kunstraub betroffenen Voreigentümerin bzw. dem Voreigentümer voraus. Aufgrund des erheblichen zeitlichen Abstands zu den Vorgängen des NS-Kunstraubs und etwaiger Bemühungen um ‚Wiedergutmachung‘ hilft die vorhandene Überlieferung beim Auffinden der legitimen Eigentümer oder ihrer Nachkommen nur unter Einschränkungen.
Namen der Opfer des NS-Kunstraubs und ihre Wohnorte
Den Unterlagen zur Rückerstattung und "Wiedergutmachung" nach dem Ende des NS-Regimes in den Staatsarchiven (im Generallandesarchiv Karlsruhe insbesondere 276-1 Amtsgericht Mannheim, Schlichter für Wiedergutmachung, 480 Landesamt für die Wiedergutmachung, Einzelfallakten, 508 Zugang 1968-23 Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Rückerstattung und 508 Zugang 2004-60 Oberfinanzdirektion Karlsruhe, Rückerstattungsakten) lassen sich die Namen der Betroffenen und Angaben zu ihrem Aufenthaltsort während der Verfahren entnehmen. Gleiches gilt für etwaige Erben soweit die Opfer selbst keinen Antrag auf "Wiedergutmachung" mehr stellen konnten oder falls die Akten Testamente enthalten. Unter Umständen geht aus dieser Überlieferung auch hervor, dass eine Person ausgewandert ist oder ihren Namen geändert hat. Bei den Behörden der Orte, die in den Akten als Aufenthaltsorte der Antragsteller genannt sind, müsste anschließend erfragt werden, ob sie dort noch wohnhaft oder wohin sie verzogen sind.
In den Unterlagen der Kommunen lässt sich den Fragen nachgehen, wo eine Person ihren Wohnsitz hatte, ob sie verheiratet war und – falls diese am Ort geboren wurden oder auch dort lebten – ob sie Kinder hatte. Einschlägig für diese Recherchen ist die Melde- und Personenstandsüberlieferung (Meldeunterlagen, Heirats-, Geburtenregister), die sich sowohl in den Standesämtern der Städte und Gemeinden als auch in den Stadtarchiven finden kann.
Hilfe bei der Suche insbesondere nach Personen im Ausland kann bei unterschiedlichen Stellen gesucht werden, die sich mit der Aufarbeitung der Verbrechen des NS-Regimes beschäftigen: Manchmal unterhalten Stadtarchive Kontakte zu Opfern und deren Nachkommen. Antisemitisch Verfolgte oder ihre Angehörigen stehen möglicherweise in Austausch mit der Conference on Jewish Material Claims against Germany, dem Familiy History Research Department des Leo Baeck Instituts, Yad Vashem oder der Commission for Looted Art in Europe. Unter Umständen können sie einen Kontakt vermitteln.
Parallel zu diesen Recherchen empfiehlt sich eine Meldung des als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifizierten Gegenstands bei der Lost-Art-Datenbank und der Objektdatenbank der Commission for Looted Art in Europe.
Wussten Sie schon?
In einer gemeinsamen Erklärung hat sich das Land Baden-Württemberg zusammen mit den anderen deutschen Bundesländern, der Bundesregierung und den Kommunen verpflichtet, in seinen Beständen nach solchen verfolgungsbedingt entzogenen Gegenständen zu recherchieren. Das Landesarchiv Baden-Württemberg will die deutschlandweiten Initiativen zur Aufarbeitung des NS-Kunstraubs durch eine themenbezogene Erschließung seiner Bestände unterstützen.
Haben Sie Fragen oder Anregungen?
Schreiben Sie uns gerne bei Fragen und Kritik zu den Rechercheratgebern eine E-Mail