Alles andere als verstaubt
„Viel Spaß im Keller“, bekommt Saskia Schlusche immer mal wieder zu hören, wenn sie von ihrem Berufsziel erzählt. Auch Cosmo Schmitter kennt solche Sprüche. „Du stehst ja auf so alte Sachen“, sagten ihm Bekannte, als er ihnen von seinen Plänen berichtete. Die beiden haben am 1. Oktober ihre dreijährige Ausbildung beim Landesarchiv Baden-Württemberg begonnen, zusammen mit sechs weiteren Anwärterinnen und Anwärtern für den gehobenen Archivdienst.
In den nächsten zwölf Monaten werden die Nachwuchskräfte am Hauptstaatsarchiv Stuttgart die unterschiedlichen Arbeitsbereiche kennenlernen und dazwischen drei Monate an der Verwaltungshochschule Ludwigsburg studieren. Anschließend folgen eineinhalb Jahre an der Archivschule Marburg, der Hochschule für Archivwissenschaften. Am Ende ihres Studiums sollen sie in der Lage sein, Schriftstücke – wann und von wem auch immer verfasst – zu lesen und etwas zu ihrer Entstehung zu sagen. Und deren Bedeutung für zukünftige Generationen einschätzen können. Nach ihrer Staatsprüfung und einem Praktikum in einem öffentlichen Archiv in Baden-Württemberg werden sie dann im September 2026 ihren Abschluss als Diplom-Archivar (FH) beziehungsweise Diplom-Archivarin (FH) machen.
Ihre erste Urkunde haben die jungen Frauen und Männer bereits erhalten. Zu Beginn des Vorbereitungsdienstes überreichte ihnen Carmen Kschonsek, die stellvertretende Präsidentin des Landesarchivs, die Ernennungsurkunde zu Beamtinnen und Beamten auf Widerruf und vereidigte sie auf die Verfassung. Schließlich haben sie es bei ihrer künftigen Arbeit mit Dokumenten zu tun, die unter einem besonderen Schutz stehen. An den verschiedenen Standorten des Landesarchivs werden einmalige Schätze gelagert, z.B. Akten, Urkunden, Karten, Pläne, Bilder, aber auch elektronische Datenträger. Die ältesten Schriftstücke stammen aus dem 8. Jahrhundert, heutzutage kommen jedes Jahr zigtausende neue hinzu. Diese Archivalien sind nicht nur für die Verwaltung und die Wissenschaft interessant. Viele Nutzerinnen und Nutzer suchen dort nach Informationen, etwa über die Geschichte ihrer Familie oder ihrer Gemeinde. Nach Vorfahren, die ausgewandert oder vertrieben worden sind. „Archive sind Bewahrer des Gedächtnisses der Gesellschaft“, sagt Gerald Maier, Präsident des Landesarchivs bei der Einführungsveranstaltung für die jungen Kolleginnen und Kollegen. Zu ihren künftigen Aufgaben gehöre es, wichtige Dokumente zu erhalten und sie künftigen Generationen zugänglich zu machen. Von den rund 170 Kilometern Archivgut ist erst ein Bruchteil online abrufbar. Für die künftigen Archivarinnen und Archivare ist die Arbeit mit Archivalien nicht neu. Bei vielen haben engagierte Geschichtslehrerinnen und -lehrer die Neugier auf Originalquellen geweckt, einige haben auch schon Erfahrungen etwa im Stadtarchiv oder auch im Bundesarchiv gesammelt. Saskia Schlusche hat sich nach dem Abitur und einem Freiwilligenjahr für die Ausbildung entschieden, Cosmo Schmitter nach seinem Geschichtsstudium. Beide sind gespannt, wohin ihre Suche sie führen wird. Voraussetzung für die Qualifizierung zum Diplom-Archivar oder der Diplom-Archivarin ist die Fachhochschulreife bzw. das Abitur. Die Ausbildung beginnt alle zwei Jahre am 1. Oktober. Nächster Einstellungstermin für den gehobenen Archivdienst ist der 1. Oktober 2025. Das Bewerbungsverfahren startet voraussichtlich im Herbst 2024.