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15.05.2024

Ganz normale Ehrenbürger?

Ehrenurkunde der Stadt Durlach über das Ehrenbürgerrecht für Adolf Hitler. Eingerahmt durch schwarz-weiße Zeichnungen von Gebäuden der Text: Ehrenurkunde. Rat und Bürgerschaft der alten Markgrafenstadt Durlach in Baden haben dem Herrn Reichskanzler Adolf Hitler das Ehrenbürgerrecht der Stadt Durlach verliehen und geloben ihm, dem Retter des Deutschen Reiches, unverbrüchliche Treue. Durlach, den 3. Juli 1933. Der Stadtrat. Darunter mittig Unterschriften, links gestempelt das Siegel der Stadt Durlach.
Vorlage: Ehrenbürgerurkunde Hitlers. Pfinzgaumuseum U I 59.

Durlacher Ehrenbürgerwürde wurde Hitler bisher nicht entzogen

1933 hat die damals selbstständige Stadt Durlach Reichskanzler Adolf Hitler, Reichspräsident Paul von Hindenburg und dem badischen NSDAP-Gauleiter Robert Wagner die Ehrenbürgerschaft angetragen. Rückgängig gemacht hat die Verleihung bis heute niemand – auch nicht die Rechtsnachfolgerin, die Stadt Karlsruhe.

Als die Nationalsozialisten 1945 Deutschland in Schutt und Asche gelegt hatten, entzogen viele deutsche Kommunen Nazi-Größen schleunigst die im „Dritten Reich“ verliehene Ehrenbürgerwürde. Andernorts wurden die Ehrenbezeugungen schamhaft verschwiegen oder gleich vergessen – so auch in Durlach. Im Mai 1933 hatte die damals eigenständige Stadt Reichskanzler Adolf Hitler, Reichspräsident Paul von Hindenburg und den badischen NSDAP-Gauleiter Robert Wagner zu Ehrenbürgern ernannt. 1938 wurde Durlach dann nach Karlsruhe eingemeindet.

Bis heute hat niemand, auch nicht die Stadt Karlsruhe als Rechtsnachfolgerin, das Durlacher Ehrenbürgerrecht Hitlers, Hindenburgs und Wagners zurückgenommen. „Mit der Eingemeindung Durlachs nach Karlsruhe im Jahr 1938 gerieten die Verleihungen in Vergessenheit“, sagt Dr. René Gilbert, Historiker und Archivar am Generallandesarchiv Karlsruhe. Am 13. April 1946 hatte die Innere Verwaltung beim Präsidenten des Landesbezirks Baden die Aberkennung der Karlsruher Ehrenbürgerwürden von Hitler, Wagner und drei anderen Nationalsozialisten genehmigt, am 25. April 1946 verfügte Oberbürgermeister Hermann Veit die Aberkennung.

Die Durlacher Ehrenbürgerwürden wurden hingegen weder formal noch symbolisch entzogen. Das gilt auch für die Auszeichnungen Hitlers, Hindenburgs und Wagners in Welschneureut sowie für den Ehrenbürgertitel Hindenburgs in Teutschneureut, heute beides Ortsteile des Karlsruher Stadtteils Neureut. „Eine juristische beziehungsweise verwaltungsrechtliche Prüfung der Vorgänge durch die Karlsruher Stadtverwaltung ist dringend geboten“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Zimmermann, Leiter des Generallandesarchivs Karlsruhe.

Die Ehrenbürgerwürde der Stadt Karlsruhe für Paul von Hindenburg, die ihm bereits 1915 verliehen worden war, wurde erst am 11. Dezember 2018 aberkannt. Eine Mehrheit im Karlsruher Gemeinderat hatte dafür gestimmt, dem zweiten deutschen Reichspräsidenten die Auszeichnung wegen seiner Mitschuld am Untergang der ersten deutschen Republik zu entziehen. Im nahegelegenen Ettlingen wird derzeit ebenfalls über die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Hindenburgs debattiert.

Nachlesen kann man dies in Band 170 der Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, die über den Buchhandel bezogen werden kann: René Gilbert, Ex-Ehrenbürger, Ex-Straßennamensgeber, Ex-Schulnamensgeber. Paul von Hindenburgs Beziehung zu Karlsruhe, in: Zeitschrift für Geschichte des Oberrheins 170 (2022), S. 349-358.