Was haben meine Großeltern zur Zeit des Nationalsozialismus getan?
Personenbezogene Unterlagen zum Nationalsozialismus
Wer sich mit der NS-Vergangenheit seiner Familie beschäftigt, stellt sich mitunter folgende Fragen: Was hat meine Oma zur Zeit des Nationalsozialismus gemacht? Wie hat mein Opa den Krieg erlebt? War mein Großonkel Täter oder Opfer des NS-Regimes? Wo hat meine Großmutter zwischen 1942 und 1945 gearbeitet? Hat sich mein Uropa von der NS-Ideologie distanziert? Musste der beste Freund meines Großvaters nach 1945 Sühne leisten?
Der einfachste Einstieg in Ihre Nachforschungen sind Gespräche mit Ihren Verwandten. Von diesen können Sie oft wichtige Informationen (z.B. Name, Geburtsdatum, Beruf und Wohnort) erfahren. Vielleicht finden Sie auch Unterlagen zur Familie auf Ihrem Dachboden oder im Keller, wie z.B. Tagebücher, Feldpostbriefe, Ausweise und Fotos. Falls Ihre Fragen noch nicht ausreichend beantwortet wurden, können Sie in Archiven nach weiteren Informationen recherchieren.
Der vorliegende Rechercheratgeber möchte Sie bei der Suche nach personenbezogenen Unterlagen – also Schriftgut, das sich auf eine oder mehrere Personen bezieht – zur Zeit des Nationalsozialismus unterstützen.
Welche Informationen benötigen Sie, um mit der Suche beginnen zu können?
Sie benötigen zu der gesuchten Person
- den Namen (bzw. Geburtsnamen),
- das Geburtsdatum sowie
- ggf. den Wohnort während der NS-Zeit und/oder nach Kriegsende 1945
Wenn Sie kein Geburtsdatum bzw. keinen Namen haben, können Sie diese über die Personenstandsregister ermitteln, siehe dazu: Rechercheratgeber Familienforschung: Lebensdaten.
Konkrete Fragestellungen
1. Beispiel: NSDAP-Mitgliedschaft
Angaben zur Parteimitgliedschaft finden Sie in den im Landesarchiv Baden-Württemberg verwahrten Entnazifizierungsunterlagen. Das Landesarchiv Baden-Württemberg verwahrt die nach den Spruchkammern geordneten Entnazifizierungsunterlagen aus der ehemaligen französischen und amerikanischen Besatzungszone, die das heutige Gebiet des Bundeslandes Baden-Württemberg betreffen. Sie können den Namen der gesuchten Person ganz einfach in das Suchfeld unseres Online-Katalogs eingeben. Sollten Sie nicht fündig werden, empfehlen wir Ihnen, eine Anfrage an die zuständige Archivabteilung des Landesarchivs Baden-Württemberg zu richten. Derzeit sind nämlich noch nicht alle Unterlagen vollständig im Online-Katalog erfasst. Weitere Informationen hierzu finden Sie in unserem Rechercheratgeber Entnazifizierung.
Wenn Sie wissen wollen, ob die gesuchte Person NSDAP-Mitglied war, sollten Sie sich zudem an das Bundesarchiv wenden. Dort befindet sich die sogenannte NSDAP-Mitgliederkartei. Die Recherche wird durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesarchivs durchgeführt: Benutzung und Auskunft aus der digitalisierten NSDAP-Mitgliederkartei
2. Beispiel: Wehrmacht
Informationen zu Angehörigen der Wehrmacht erhalten Sie vor allem im Bundesarchiv. Sie müssen dazu einen Auftrag für eine personenbezogene Recherche zu Unterlagen des Bundesarchivs über Militärangehörige stellen und per E-Mail an die passende Abteilung des Bundesarchivs senden. Hierbei können Gebühren anfallen: Der Rechercheantrag im Bundesarchiv
In der Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg werden die Personalunterlagen von Offizieren, Militärbeamten und Generalen der Wehrmacht verwahrt. Viele Unterlagen lassen sich bereits mit dem Online-Recherchesystem des Bundesarchivs ermitteln: Online-Recherchesystem "Invenio"
Falls Sie die gesuchte Person nicht finden können, schreiben Sie eine E-Mail an die Abteilung des Bundesarchivs: Abteilung Militärarchiv des Bundesarchivs
3. Beispiel: Opfer des NS-Regimes
Die Leidensgeschichte der NS-Opfer aus Württemberg, Baden und Hohenzollern ist in den Wiedergutmachungs- und Rückerstattungsakten dokumentiert. Nach der gesuchten Person können Sie im Online-Katalog recherchieren. Aufgrund noch bestehender Schutzfristen sind nicht alle Wiedergutmachungsakten von Einzelpersonen recherchierbar. Mehr Informationen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechtes finden Sie in unserem Rechercheratgeber Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts.
Die Geschichte der Opfer des Nationalsozialismus ist teilweise auch in den Kriminal- und Justizakten der Länder Württemberg und Baden nachzulesen.
Wenn die gesuchte Person zu den Opfern des Nationalsozialismus gehörte, empfehlen wir Ihnen, auch in der Online-Datenbank der Arolsen Archives zu recherchieren. Sie können den Namen der gesuchten Person ganz einfach in das Suchfeld eintragen: Online-Archiv der Arolsen Archives
4. Beispiel: Ausübung eines öffentlichen Amtes
Falls die gesuchte Person ein öffentliches Amt ausgeübt hatte, sollten Sie unbedingt einen Blick in die möglicherweise überlieferte Personalakte des Beamten bzw. Angestellten werfen. In den Abteilungen des Landesarchivs Baden-Württemberg werden Akten von Landesbeamten aus Württemberg und Baden verwahrt. Die Suche nach den Staatsbediensteten erfolgt über den Online-Katalog. Personalakten von Kommunalbediensteten werden in den dafür zuständigen Stadt- und Kreisarchiven verwahrt.
5. Einschlägige Bestände
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Literatur:
- Frederick Bacher/Jutta Braun, Die nationalsozialistische Machtübernahme in Württemberg, in: Wolfram Pyta/Sylvia Palatschek/Frank Engehausen, Die badischen und württembergischen Landesministerien in der Zeit des Nationalsozialismus (Band 1), Stuttgart 2019, S. 565–585.
- Frank Engehausen, Die nationalsozialistische Machtübernahme in Baden, in: Wolfram Pyta/Sylvia Palatschek/Frank Engehausen, Die badischen und württembergischen Landesministerien in der Zeit des Nationalsozialismus (Band 2), Stuttgart 2019, S. 17–47.
- Jürgen Falter, Hitlers Wähler. Die Anhänger der NSDAP 1924–1933, Frankfurt/New York 2020.
- Jürgen Falter, Hitlers Parteigenossen. Die Mitglieder der NSDAP 1919–1945, Frankfurt am Main 2020.
- Paul Sauer, Württemberg in der Zeit des Nationalsozialismus, Ulm 1975.
- Paul Sauer, Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden–Württembergs während der nationalsozialistischen Verfolgungszeit 1933–1945, (Veröffentlichungen der Staatlichen Archivdirektion Baden–Württemberg 20), Stuttgart 1968.
- Thomas Schnabel, Geschichte von Baden und Württemberg 1900–1952, Stuttgart 2000.