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Nachweise für ehemalige Zwangsarbeiter
Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"
Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag am 6. Juli 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (BGBl. I S.1263) verabschiedet. Es trat am 12. August 2000 in Kraft. Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter und von anderem Unrecht aus der Zeit des Nationalsozialismus Betroffene bereitzustellen. Die Betroffenen in Polen haben acht Monate, alle anderen zwölf Monate Zeit, Anträge auf Leistungen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" bei der jeweils zuständigen Partnerorganisation zu stellen. In den kommenden Monaten werden voraussichtlich über eine Million Überlebende der NS-Zwangsarbeit Leistungen der Stiftung förmlich beantragen. Die hierfür erforderlichen Nachweise können auch zu einem späteren Zeitpunkt nachgereicht werden.
Die Rolle der Archive
Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung der Nachweise nehmen die Archive ein. Denn ohne die in den Archiven verwahrten Unterlagen könnten die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter den Nachweis über ihre erzwungene Tätigkeit im nationalsozialistischen Deutschland nicht erbringen. In Staats-, Stadt- Kreis- oder sonstigen Archiven lagern Unterlagen unterschiedlichster Herkunft, die Auskunft über einzelne Zwangsarbeiter geben. Die Archive sind daher mit steigender Tendenz durch die bei ihnen eingehenden Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiter wegen Nachweises ihrer Beschäftigungszeiten stark in Anspruch genommen. Die Archive sind sich der hohen politischen und moralischen Verantwortung, die mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern verbunden ist, bewusst und stellen sich dieser Verpflichtung mit großem Einsatz und unter Zurückstellung anderer Aufgaben.
Die Recherche in den Archiven kann auf zwei Wegen in Gang kommen. Zum einen schicken die Partnerorganisationen Sammelanfragen an den Internationalen Suchdienst. Fällt die Recherche dort negativ aus, müssen Anschlussrecherchen in den Archiven erfolgen. Dazu müssen die Anfragen nach Bundesländern sortiert und an regionale Koordinierungsstellen in den Ländern versandt werden. In Baden-Württemberg hat das Hauptstaatsarchiv Stuttgart diese Koordinierungsfunktion übernommen. Dort werden die vom ISD abgegebenen Anfragen in Form eines Datenblattes aufbereitet und nach einem festgelegten Ablaufplan zur weiteren Bearbeitung an die Archive weitergeleitet; in die Verteilung sind an erster Stelle die Kommunalarchive bzw. Gemeindeverwaltungen einzubeziehen, des weiteren die Direktionen der AOK, die Staatsarchive sowie weitere Archive wie Firmen- und Wirtschaftsarchive. Werden in diesen Archiven Nachweise gefunden, sollen entsprechende Mitteilungen direkt an die Partnerorganisationen gerichtet werden.
Neben diesem Ablauf über die Partnerorganisationen bzw. den ISD gehen weiterhin auch individuelle Anfragen von den Betroffenen bei den Archiven ein. Diese Anfragen werden - bei örtlich gegebener Zuständigkeit - wie bisher in den Archiven bearbeitet, ebenfalls nach einem standardisierten Ablaufschema. Kann kein positives Ergebnis erbracht werden, erfolgt die Weitergabe an den ISD.
Erschließung der Archivalien mit Nachweisen über Zwangsarbeiter
Für die Betroffenen ist es wichtig, dass die verstreut vorhandenen Dokumente auf deutscher Seite für sie nutzbar gemacht werden und mit dem Antrag bzw. der Anfrage eine zügige und zuverlässige Recherche nach Beweisunterlagen in Gang kommt. Die Staatsarchive haben in den letzten Monaten zeit- und personalintensive Maßnahmen getroffen, um auf die erwartete Antragswelle vorbereitet zu sein und die Recherchen zu optimieren und zu beschleunigen. Überwiegend mit Hilfe von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen werden die in den Archiven verwahrten Unterlagen, die Nachweise über Zwangsarbeiter enthalten, erschlossen und aufbereitet. Im Generallandesarchiv und im Staatsarchiv Freiburg werden sämtliche in den dortigen Unterlagen nachzuweisende Zwangsarbeiter in einer Datenbank erfasst. Das Staatsarchiv Sigmaringen erschließt die Unterlagen in einem sachthematischen Inventar, das online verfügbar ist und laufend aktualisiert wird.
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Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Staatsarchiv Sigmaringen
Das Staatsarchiv Sigmaringen verwahrt für die Zeit des "Dritten Reiches" und die Nachkriegszeit die staatliche Überlieferung im Bereich des nachmaligen Regierungsbezirks Südwürttemberg-Hohenzollern. Unterlagen, die über das Einzelschicksal ehemaliger Fremd- und Zwangsarbeiter Auskunft geben und damit als Nachweis für Entschädigungsansprüche dienen können, sind schon während der NS-Zeit bei den verschiedensten Stellen erwachsen, etwa bei Gerichten oder der inneren Verwaltung, bei Forst- oder Gesundheitsbehörden. Doch lassen sich die oft "versteckten" Nachweise in den entsprechenden Archivbeständen nur mit sehr hohem Suchaufwand ermitteln. Wesentlich erfolgversprechender sind diejenigen Unterlagen, die nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs auf Anordnung der französischen Militärregierung zum Zweck der Nachforschungen über Zivil- und Militärangehörige der Vereinten Nationen entstanden sind. Dabei handelt es sich vorwiegend um Listen, die aufgrund des Befehls 1792 der französischen Militärregierung vom 6. Dezember 1945 von den Landratsämtern und größeren Gemeinden zu erstellen waren. In diesen Listen waren zum einen alle Kommandos von Kriegsgefangenen, Deportierten, Arbeitern und Flüchtlingen zu erfassen und um Arbeitsstättenverzeichnisse sowie um namentliche Listen unter Angabe der Nationalität, des Geburtsorts, des Aufenthaltsorts und der Aufenthaltsdaten zu ergänzen. Mehrfertigungen der Listen gelangten über die Landratsämter und größeren Gemeindeverwaltungen an die zuständigen Staats-, Kreis- und Kommunalarchive, so auch an das Staatsarchiv Sigmaringen, wo sie in der Beständegruppe Wü 65, württembergische Landratsämter, verwahrt werden.
Bei Anfragen ehemaliger Zwangsarbeiter stehen die Listen aufgrund der umfangreichen Einzelnachweise in der Suchhierarchie an erster Stelle. Um die Recherche effizienter zu gestalten, hat das Staatsarchiv Sigmaringen mit Unterstützung des Arbeitsamtes Balingen im Dezember 2000 ein Erschließungsprojekt "Inventar zu Zwangsarbeiternachweisen" begonnen. Ziel des Inventars ist die systematisierte Erfassung von Unterlagen im Staatsarchiv Sigmaringen, die Auskünfte über das Einzelschicksal von NS-Zwangsarbeitern enthalten. Im ersten Projektabschnitt werden zunächst die einschlägigen Unterlagen der Landratsämter in der Beständegruppe Wü 65 ermittelt und nach einem vorgegebenen Schema strukturiert erfasst. Die Inventarangaben beschränken sich auf eine kurze Beschreibung der Aktenstruktur sowie auf die Angaben zur Nationalität sowie zu den Einsatzorten der Zwangs- und Fremdarbeiter. Über die genannten Listen hinaus werden weitere Unterlagen berücksichtigt, die namentliche Angaben zu Zwangsarbeitern enthalten, ohne dass auch hier die Namen als solche erfasst werden. Der Verzicht auf die namentliche Erfassung hat den Vorteil, dass das Inventar nicht zuletzt im Interesse der Betroffenen rasch zum Abschluss gebracht werden kann und so zu einer erheblichen Verminderung des bisher erforderlichen Rechercheaufwandes beiträgt, denn über die in einem Index ausgeworfenen Einsatzorte und Nationalitäten lassen sich die für den Einzelfall einschlägigen Unterlagen rasch auf wenige Akten eingrenzen.
Noch während der Bearbeitungszeit wird das Inventar der Öffentlichkeit über das Internet zugänglich gemacht und dort selbstverständlich laufend aktualisiert.
Weitere Informationen:
- Inventar zu Zwangsarbeiternachweisen im Staatsarchiv Sigmaringen
- Kopien zu NS-Zwangsarbeiterlagern in Südwestdeutschland aus dem Archiv des "Service des Victimes de la Guerre" in Brüssel
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Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Hauptstaatsarchiv Stuttgart
Das Hauptstaatsarchiv Stuttgart (HStAS) erhält täglich Anfragen zu Nachweisen über Zwangsarbeit während des NS-Regimes. Im vergangenen Jahr haben uns rund 400 Briefe erreicht, im ersten Halbjahr 2001 etwa 270.
Die meisten von ihnen kommen aus der Ukraine und aus Polen, der Rest aus Russland, Slowenien etc. Die Anfragen werden direkt von den Betroffenen oder ihren Interessenvertretungen in den jeweiligen Ländern eingereicht. Sie können auch von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg bzw. verschiedenen Archiven anderer Bundesländer an das HStAS weitergeleitet werden.Seit der Verabschiedung des Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" im August 2000 ist die Zahl der Anfragen von ehemaligen NS Zwangsarbeitern deutlich gestiegen. Deshalb wurde im Juli 2000 beim HStAS eine zentrale Verteiler- und Koordinierungsstelle zur zügigen Bearbeitung dieser Anfragen eingerichtet.
Die meisten Betroffenen wissen aber nicht, dass das HStAS selbst über keine Akten mit Einzelfällen von Zwangsarbeit verfügt. Die Unterlagen zum Nachweis von Zwangsarbeitereinsätzen in Deutschland sind unvollständig, weit verstreut und zum Teil unübersichtlich. In vielen Fällen sind solche Unterlagen in Besitz von den Städten und Gemeinden, in denen Zwangsarbeit stattfand. Sie sind teilweise auch bundesweit in den Staatsarchiven zu finden.
Für das HStAS ergibt sich daraus die primäre Aufgabe, die Anfragen an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Meist an Kommunalarchive oder Staatsarchive Baden-Württembergs und anderer Bundesländer, ggf. auch ins Ausland (z.B. nach Frankreich oder Polen). Dort kann nach Überlieferungen und Nachweisen für einzelne Personen gesucht werden.
Doch bevor das HStAS die Anfrage an die zuständige Stelle weiterleiten kann, muss es den angegebenen Einsatzort eindeutig lokalisieren. Und das ist meistens der schwierigste Teil der Arbeit. Oft werden Einsatzorte falsch geschrieben, die geografische Beschreibung der Umgebung passt nicht zusammen usw. In solchen Fällen sind längere Recherchen und mitunter detektivisches Gespür notwendig, um die Orte genau zu identifizieren (z.B., "Jetzgrube" statt Erzgrube, "Geidegein" für Heidenheim u.ä.).
Um die Bearbeitung vor Ort zu beschleunigen, werden beim HStAS alle Anfragen, die auf Russisch oder Ukrainisch eingehen, ins Deutsche übersetzt, alle für die Suche relevanten Daten aussortiert und in ein speziell dazu entwickeltes Datenblatt eingetragen.
Mit dieser sorgfältigen Aufbereitung der Daten hofft das HStAS, die Recherchen an der Quelle so gut wie möglich zu unterstützen, damit die Betroffenen nicht lange auf Nachweise ihrer Zwangsarbeit warten müssen.
Begriffsproblematik
Bei der Einsichtnahme in die einzelnen Büschel ergibt sich ein spezifisches Begriffsproblem. Bei der Bezeichnung "Zwangsarbeiter" handelt es sich um keinen Quellenbegriff. Vielmehr beschönigte der nationalsozialistische Sprachgebrauch den Umstand der Zwangsarbeit, indem er die Betroffenen meist als "Zivilarbeiter" oder "Ostarbeiter" ansprach. Diese die tatsächlichen Verhältnisse verschleiernde Ausdrucksweise findet sich auch anderweitig, so etwa in Formulierungen, wonach die Arbeiter "angeworben", aus dem Ausland "vermittelt" oder zum Arbeitseinsatz "hereingenommen" wurden. Es wird also sorgfältig vermieden, den Eindruck einer unfreiwilligen Arbeitsleistung zu erwecken. Für die Arbeit mit den Quellen bedeutet dies häufig, dass eine gewisse Unsicherheit darüber aufkommt, ob es sich tatsächlich um Zwangsarbeiter handelt. Eine Klärung ist daher oft nur aus dem Kontext möglich.
Akten und Bestände:
Grundlage für die vorliegende Aufstellung war eine systematische Überprüfung der primär als relevant betrachteten Ministerialbestände bis 1945 (EBestände des Hauptstaatsarchivs). Einschlägige Unterlagen fanden sich im Wesentlichen in den Ressorts des Staatsministeriums, des Innenministeriums, des Finanzministeriums und des Wirtschaftsministeriums. Der Begriff "Zwangsarbeiter" taucht in den Repertorien nur sehr selten auf, weshalb bei der Durchsicht der Findmittel insbesondere auf Schlüsselbegriffe aus den Themengebieten "Arbeit" und "Ausländer" geachtet wurde. Dies erwies sich als ein weitgehend zuverlässiges Kriterium.
Die überprüften, als relevant erachteten Büschel sind im Folgenden aufgelistet:
E 130 b: Staatsministerium
Bü. 1053 (1934-1944): Erlass des Reichsführers SS über die Ausstattung "ausländischer Arbeiter" mit Pass oder Passersatz (28.10.1941)
Bü. 1775 (1940-1945): Gesuche und Beschwerden, u.a. Einsatz von Arbeitskräften, darunter von Ostarbeitern
Bü. 1171 (1882, 1919-1944): Erlass des Reichsministers des Innern über die Teilnahme von Abordnungen der Beschäftigungsstelle an Beisetzungen von "Ostarbeitern und Polen" (27.10.1944)
Bü. 2813 (1920, 1940-1945): Erlasse des Reichsministers des Innern, des Beauftragten für den Vierteljahresplan sowie des Oberkommandos der Wehrmacht über Untersuchung und Entlausung von "Ostarbeitern" zur Bekämpfung des Fleckfiebers sowie über die Rückführung "nichteinsatzfähiger Ostarbeiter" (1940-1943)
Darin: Leeres Formblatt "Besichtigungsergebnis des Arbeitslagers der Ostarbeiter" (für Gesundheitsdienststellen und Gewerbemedizinalbeamte)Bü. 2816 (1902, 1903, 1925, 1938-1943): Schnellbrief des Reichsministers des Innern zur Untersuchung französischer Arbeiter auf Typhus und Maßnahmen bei Krankheitsfällen (10.1.1942)
Bü. 3255 (1932-1935, 1941-1945): Rundschreiben verschiedener Stellen (Reichsminister des Innern, Reichsarbeitsminister, Reichswirtschaftskammer, Chef der Ordnungspolizei, Reichsführer SS) zur Errichtung von Bordellen für "fremdvölkische" Arbeiter, zum Vorgehen bei "Anwerbung", Transport und Überwachung sowjetischer Arbeiter, zu passtechnischer und ausländerpolizeilicher Behandlung von Arbeitern, zum Umgang mit nichtarbeitsfähigen Ostarbeitern, zur Beisetzung ausländischer Arbeitskräfte sowie zur Behandlung tuberkulosekranker Arbeiter (1941-1945)
Reichsgesetzblatt: "Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter" (mit Entgelttabelle; Juli 42), Verordnung zur Durchführung und Änderung der Verordnung (mit Entgelttabelle, April 1943), "Verordnung über die Einsatzbedingungen der Ostarbeiter" (April 1944), "Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und -arbeiterinnen" (Juli 1944)
Broschüre "Die Arbeiter aus dem Osten. Ein Leitheft für deutsche Führungskräfte" (o.J.)E151/03: Württembergisches Ministerium des Innern, Abt. III (Polizeiwesen)
Bü. 213 (1940): Anordnung über die Behandlung polnischer Fremdarbeiter
Bü. 1190 ((1883), 1913-1943): Einrichtung von Bordellen für "fremdvölkische Arbeiter" (u.a. in Friedrichshafen, Stuttgart, Sulz, Ulm). Insbesondere Errichtung eines Bordells für die in einem geschlossenen Barackenlager der Waffenfabrik Mauser in Oberndorf a.N. untergebrachten polnischen Arbeiter.
E 151/54: Innenministerium, Abt. X (Gesundheitswesen)
Bü 115 (1900-1945): Medizinische Betreuung (Untersuchungen, Desinfizierungen, Behandlung in Krankenhäusern usw.) von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen; Erkrankungen (Fleckfieber u.ä.) unter den Zwangsarbeitern, Einsatz russischer Ärzte zur medizinischen Betreuung; zahlenmäßige Erfassung der in Baden-Württemberg befindlichen "polnischen Zivilarbeiter" nach Arbeitsämtern; Aufstellung von Gemeinschaftsunterkünften von Zwangsarbeiterinnen in Stuttgart; Mehrfertigung eines Fragebogens zu Besichtigungen von Arbeitslagern
Darin: Erkrankungen, Einzelfälle (jeweils mit Angabe der Beschäftigungsstelle)Bü. 120 (1934-1945): Schnellbrief des Reichsministers des Innern zur seuchenhygienischen Überwachung von Arbeiterlagern (4.11.1941); Vermerk des Leiters des Staatlichen Gesundheitsamtes Göppingen über die ärztliche Versorgung der OT-Bauleitung Geislingen/Steige (mit griechischen und russischen Arbeitern) durch den Betriebsarzt der WMF (18.9.1944); Wehrkreisärztlicher Kurzbericht über einen Besuch des O.T.-Lagers Leonberg (14.3.1945)
Bü. 315 (1941-1944): Bestattungen von russischen "Zivilarbeitern" (mit Anfragen des Oberbürgermeisters von Ulm und des Landrats von Tettnang).
E 222 a: Finanzministerium
Bü. 39 (1937, 1940, 1943-März 1945): Staatl. Saline Wilhelmshall: Arbeiterstatistik Rechnungsjahr 1943; Staatl. Saline Friedrichshall: Arbeiterstatistik Geschäftsjahr 1943 (jeweils mit Erwähnung ausländischer Arbeiter); Lohnstatistiken der Salinen Wilhelmshall und Friedrichshall für das Jahr 1943 (mit Aufführung der Ostarbeiter in Friedrichshall); Bitte der Leitung der Staatl. Saline Friedrichshall um Ermächtigung zur Auszahlung einer Weihnachtsgratifikation an ausländische und Ostarbeiter.
E 397: Wirtschaftsministerium
Bü. 45 (1939-1943): Mehrere Rundschreiben des Reichsarbeitsministers zur Rückbeförderung und Verpflegung von "polnischen Zivilarbeitern" und ehemaligen Kriegsgefangenen nach dem Ernteeinsatz (Juli-Dez. 40)
Bü. 65 (1939-1945): Diverse Rundschreiben und -erlasse des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft, des Präsidenten des Landesarbeitsamts Südwestdeutschland und des Vorsitzenden des Getreidewirtschaftsverbandes über die Ernährung von Zivilarbeitern (u.a. Verpflegungssätze; Abgabe von Lebensmittelkarten); verschiedene Anfragen und Anträge von Landräten, Bürgermeistern und Firmen zur Lebensmittelversorgung polnischer und russischer "Zivilarbeiter" (1939-42); Namentliche Liste von ukrainischen Zwangsarbeitern der Firma Feinbau Maschinen-Gesellschaft (1943); Antrag auf Bewilligung einer Krankenzulage einer Arbeiterin aus dem Arbeiterinnenlager Schützenhaus in Weil im Dorf (1943)
Bü. 66 (1940-1945): Wie Bü 65; Aufstellung von Arbeiterrationen (nach Nationalitäten); Lebensmittelkarten; Aufstellung der bei der Firma Montanwerke Walter beschäftigen ausländischen Zivilarbeiter (Aug. 42); einzelne Namensnennungen im Zusammenhang mit Anträgen auf bes. Lebenmittelversorgung, Bezugsscheine
Bü. 67 (1940-1945): Verpflegung der Justizgefangenen; Häftlinge; Konzentrationslager
EA 2/801: Innenministerium, Staatsbeauftragter für das Flüchtlingswesen
Bü. 130, 131, 133, 134, 137, 149-186 (1945-1952): Aufnahme und Unterbringung von "heimatlosen Ausländern" (Displaced Persons):
Allgemeines und einzelne LagerSiehe auch "Rechercheratgeber Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter"
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Unterlagen über ehemalige NS-Zwangsarbeiter im Staatsarchiv Ludwigsburg
Das Staatsarchiv Ludwigsburg ist zuständig für den ehemaligen Regierungsbezirk Nordwürttemberg (heute Regierungsbezirk Stuttgart) und verwahrt das Schriftgut der dort ansässigen Behörden und Gerichte. Zum Thema Zwangsarbeiter sind entsprechend dieser Zuständigkeit Unterlagen vor allem bei den hier verwahrten Beständen der Innenverwaltung (Landratsämter) und bei den Gerichten (Landgerichte, Amtsgerichte) vorhanden. Die wichtigsten Bestände sind im Anhang aufgelistet, wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird.
Nicht vollständig aufgeführt sind die Registerbände der Gerichte und die Gefangenenbücher und Gefangenenpersonalakten der Gefängnisse. Aus den Gefangenenpersonalakten lassen sich die Namen von Fremdarbeitern nur indirekt erschliessen, die Register-und Gefangenenbücher können auf ausländische Namen durchgesehen werden.
Die Überlieferung der Landratsämter Aalen, Böblingen, Crailsheim, Esslingen, Göppingen, Heidenheim, Nürtingen, Schwäbisch Gmünd und Schwäbisch Hall befinden sich in den jeweils zuständigen Kreisarchiven.
E 180 II-V Ministerialabteilung für Bezirks- und Körperschaftsverwaltung
Bü. 1460 Aufenthalt und Ausweisung von Ausländern, Allg.1920-1945 E 180a II Württ. Landesfürsorgeverband
1.8.5 Sozialhilfe für Ausländer und Staatenlose
Bü. 796-8001944-1956 E 188b Württ. Arbeitshaus für Männer Vaihingen/Enz
Bd. 1-7 Gefangenenbücher1925-1945 E 191 Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins
Bü. 6878 Verschiedene Angelegenheiten der Anstalten der freien Wohlfahrtspflege Enthält u.a.: Belegung mit fremdvölkischen und ausländischen Personen1939-1944 E 311 Sondergericht für den Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart
Bü. 382, 391-395, 433, 450, 463, 491, 501, 513, 535, 597, 658, 725, 763, 794 Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen
Bü. 915-946, 952 Rubrik Ausländerverfahren (meist Westeuropäer)E 323 II Staatsanwaltschaft beim Landgericht Stuttgart
Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit KriegsgefangenenE 343 Staatsanwaltschaft beim Landgericht Ellwangen
Bü 39,41,46,47 Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit KriegsgefangenenE 352 Staatsanwaltschaft beim Landgericht Ulm
Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen
Bü 7776-8240 Strafsachen gegen Ausländer1933-1945 E 356g Landesgefängnis Ulm
Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen
Bü. 6331-39 Ausländische Gefangene aus dem Strafgefängnis Rottenburg (Franzosen, Holländer, Italienier, Jugoslawen, Polen, Russen, Spanier, Tschechen, Österreicher)1944 Bü. 6340 Personalakten von ausländischen Strafgefangenen
Bü 6341-481944 Gefangenenlisten 1945 E 356i Strafanstalt Gotteszell
Gefangenenpersonalakten von Ausländerinnen
Bü. 10025 Namensverzeichnis der Gefangenen1940-41 F 252 II Amtsgericht Aalen
Strafsachen gegen AusländerF 263 II Amtsgericht Ellwangen
Zugang 11/85 Bü. 1081 ff. Ausländerverfahren1941 F 264 II Amtsgericht Esslingen
Bü. 1484-1493 Ausländerverfahren (Zivilprozesse)1940-1944 F 279 II Amtsgericht Leonberg
Bü. 279 Vergehen gegen die Verordnung über die Behandlung von Ausländern1940 F 282 II Amtsgericht Marbach
Zugang 1968 Strafsachen gegen Ausländer1940-1943 Zugang 11.1987 Strafsachen gegen Ausländer 1939-1942 F 299 Amtsgericht Schorndorf
Gefangenenbücher1941-1945 Bü. 72 Transporte in das Frauenlager Rudersberg o.D. F 310 I Amtsgericht Vaihingen
Bü. Str 19 - Str 39 Strafsachen gegen Ausländer1939-1945 FL 20/3 I Landratsamt Bad Mergentheim
Zugang 26.11.1976 P 1-34 Akten zum Ausländersuchverfahren1946-1948 FL 20/9 I Landratsamt Heilbronn
Bü 195-197 Akten zum Ausländersuchverfahren1946-50 Bü 198 Ausländerstatistik 1945-49 Bü 199 Erfassung der im Landkreis Heilbronn lebenden Zivilarbeiter und -arbeiterinnen aus Polen und dem Osten, der Ukrainer, Russen, Tschechen, Südtiroler, Franzosen, Holländer, Belgier und Luxemburger sowie Ausländer aus ebenfalls verbündeten Staaten; Heimschaffung österreichischer Staatsangehöriger, Rückführung von Russen und Ukrainern 1945-46 Bü 200 Kartei der abgemeldeten Ausländer, die nach dem Krieg im Landkreis Heilbronmn gewohnt haben und dann verzogen sind 1946-50 Bü 201 Zuweisung von Ausländern, Aufenthaltsgenehmigungen, Beschwerdefälle gegen Ausländer 1945-47 Bü 202 Ausscheidebögen Lager Weinsberg (Überweisung der unter IRO-Mandat stehenden Personen zur örtlichen Niederlassung) 14.6.1950 FL 20/12 II Landratsamt Ludwigsburg Bü. 380
Erfassung von ausländischen Arbeitern1940-1946 Bü. 385 Ausweisung u. Sicherheitsverwahrung von Ausländern 1942 Bü. 392 Kriegsgefangene fremder Länder 1939-1945 Bü. 408-409 Ausländerüberwachung 1935-1940 Bü. 467-477 Fremdenpässe (meist Westeuropäer) 1939-1945 Bü. 478 Passierscheine in besetztes polnisches Gebiet 1940-1942 FL 20/14 Landratsamt Öhringen
Bü. 123 Ausländerverzeichnis, -statistik1938-1949 Bü. 124-125 Aufenthaltserlaubnisse 1938-1949 Bü. 126-128, 459 Ausländer 1945-1959 Bü. 734-753 Karteien über Fremdarbeiter im Lkr. Öhringen 1934-1946 FL20/18 Landratsamt Vaihingen 1946-1955 Bü 422 Ausländer und Ausländerstatistik Bü 423 Ausländer und Ausländerstatistik, Allgemeines 1917-1958 FL 20/19 Landratsamt Waiblingen
Bü. 196, 367 ausländische Arbeiter, Allgemeines1941-1945 Bü 203 ausländische Kriegsgefangene 1940-1944 Bü. 366 polnische Zivilarbeiter, Einzelfälle 1941-1944 Bü. 368 Französische Zivilarbeiterinnen 1941-1942 Bü. 1326 Versorgung von Flüchtlingen durch die UNRRA 1945-1946 FL 30/12 Staatl. Gesundheitsamt Ludwigsburg
Az. 4001 amtsärztliche Zeugnisse, u.a. für Eheschließungen mit OstarbeiternFL 300/9 Amtsgericht Ellwangen
Bü. 67 Ausländerverfahren1945 FL 300/16 Amtsgericht Künzelsau
Strafsachen wegen verbotenen Umgangs mit Kriegsgefangenen
Bü. 339, 341-343, 345, 3461942-1945 FL 300/21 Amtsgericht Marbach
Zugang 11.1987 Strafsachen gegen Ausländer1945-1946 FL 615/9 Landwirtschaftsamt Gaildorf
Bü. 161 Vermittlung von Arbeitskräften, Einsatz von Kriegsgefangenen1939-1943 K 100 Staatspolizeistelle Stuttgart
Bü. 1 Überführung des Anton Kolodziej von Kolomyja in das Konzentrationslager Natzweiler (Transportzettel)1943 K 423 Wasser- und Schiffahrtsamt Heilbronn
Enthält Unterlagen über den Einsatz von Fremdarbeitern beim Bau des Neckarkanals. Die Angabe genauer Signaturen ist derzeit nicht möglich, da der Bestand in Bearbeitung ist.PL 502/18 NSDAP-Kreisleitung Leonberg
Bü. 19 unerlaubtes Tragen eines Goldenen Parteizeichens durch einen Fremdarbeiter1942 Bü. 20 Durchsuchung alleinwohnender Fremdarbeiter nach Waffen 1944 PL 502/32 I NSDAP-Kreisleitung Ulm
Bü. 34 Veranstaltungen der Organisation KdF Enthält u.a.: Betreuung ausländischer Arbeiter1940-1944 Bü. 108 Arbeitseinsatz von ausländischen Zivilarbeiten und Kriegsgefangenen 1938-1945 Bü. 156-195 Ortsakten enthalten u.a. ausländische Arbeiter ca.
1938-1945
Weitere Informationen
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Bewertung, Übernahme und Nutzung von Unterlagen zu Zwangs- und Fremdarbeitern der Allgemeinen Ortskrankenkasse durch die Staatsarchive in Baden-Württemberg
Von Jürgen Treffeisen
Vorgetragen am 19. September 2001 auf dem 72. Deutschen Archivtag in Cottbus.
Bedeutung der Zwangsarbeiteranfragen für die Stellung der Archive
Zwangsarbeiter und insbesondere die Erbringung der Nachweise für ihren Einsatz im nationalsozialistischen Deutschland beschäftigten derzeit die Archive. Dieser aufwendigen Recherchetätigkeit dürfen und haben sich die Archivare nicht entzogen. Doch sind diese Aktivitäten nicht nur Bürde, sondern zugleich auch Chance für das deutsche Archivwesen. Können wir uns doch durch die erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgabe zugleich als unabdingbaren Teil unserer heutigen Informations- und Wissensgesellschaft präsentieren. Der Dienstleistungscharakter der Archive wird deutlich, ebenso die Bedeutung der Archive auch außerhalb des Kultursektors. Denn ohne Archive sind die meisten Zwangsarbeiternachweise nicht zu erbringen.
Außerhalb der Archive verfügen die Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) über die Möglichkeit der Erbringung von Zwangsarbeiternachweisen. Hier waren die Zwangsarbeiter gemeldet.
Erste Kontakte
Den Stein ins Rollen brachte zu Anfang des Jahres 1999 ein Geschichtsstudent, der für seine Studien zu Zwangsarbeitern Unterlagen einer AOK-Bezirksdirektion einsehen wollte. Die AOK verweigerte dem angehenden Historiker die Einsicht. Als Schiedsrichter wurde der Datenschutzbeauftragte des Landes Baden-Württemberg eingeschaltet. Dieser empfahl die Abgabe an die Staatsarchive. Damit suggerierte er zugleich, dass durch eine Abgabe an die Archive auch eine Nutzung dieser Unterlagen möglich sei.
Die AOK war grundsätzlich bereit, Unterlagen über Zwangs- und Fremdarbeiter an die Staatsarchive abzugeben. Doch zunächst mussten sich die Archivare einen Überblick über das zu übernehmende Material verschaffen. Denn bislang waren die Zwangsarbeiter betreffenden Unterlagen der AOK noch nicht nach archivfachlichen Kriterien analysiert und bewertet worden.
Die relevanten Unterlagen und ihr Quellenwert
Es handelt sich bei den relevanten Quellen in erster Linie um sogenannte Hebelisten. Diese weisen die Krankenversicherung und seit 1942 auch die Renten- und Arbeitslosenversicherung nach. Folgende Informationen sind den Hebelisten in der Regel zu entnehmen: Geburtstag des Versicherten, Vor- und Zuname, Beschäftigungsart, Eintritt in das Versicherungsverhältnis, Austritt beziehungsweise Abmeldung, Lohnstufe, Beitragsgruppe, auch Arbeitsunfähigkeitszeiten oder Wehrdienst sowie die Beitragsberechnung. Die Hebelisten sind in der Regel zunächst nach Orten und nach Jahrgängen geordnet und innerhalb dessen alphabetisch nach Arbeitgebern. Zwangsarbeiter sind natürlich nicht mit diesen heute gebräuchlichen Termini ausgewiesen. Dieser Personenkreis ist hingegen innerhalb der einzelnen Hebeliste durch vielfach auch rot hervorgehobene Stempelaufdrucke oder Notizen wie zum Beispiel "Zivilrussen", "Ostarbeiter (Russe)", "poln[ischer] Landarb[eiter]", "Pole, Polin" oder einfach nur "Ost" hervorgehoben.
Mit den Hebelisten der AOK Bezirksstellen ist es also möglich, konkrete Einzelnachweise für Zwangsarbeiter zu erbringen. Damit ist aber noch nicht der bleibende Wert dieser Unterlagen festgestellt. Denn die derzeitig unumstritten notwendige Aufbewahrung für temporäre Zwangsarbeiteranfragen rechtfertigt nicht eine dauernde Aufbewahrung im Archiv.
Die Aufarbeitung der Zwangsarbeiterfrage wird in den einzelnen Gemeinden zunehmend relevant. Dabei werden dann aber auch, wie bei der Aufarbeitung des nationalsozialistischen Unrechts gegen die jüdische Bevölkerung, ganz gezielt Fragen nach Einzelschicksalen gestellt. Ebenso wird der Zwangsarbeitereinsatz einzelner Arbeitgeber deutlich. Damit kommt diesen Unterlagen eindeutig bleibender Wert zu.
Verhandlungen mit der AOK und die Formulierung der Übernahme
Im Oktober 1999 und im Januar 2000 konkretisierten sich die Gespräche mit der AOK. Als erste Bewertungstendenz wurde folgendes vereinbart: 1. Übernahme aller arbeitgeberbezogenen Mitgliederverzeichnisse bis einschließlich 1948. 2. Übernahme aller eigenständig geführten Zwangsarbeiterkarteien. Der Zeitpunkt der Übernahme war noch offen. Zudem sollten alle abzugebenden Hebelisten per EDV erfasst werden. Die genau zu erfassenden Daten waren jedoch erst noch in Rücksprache mit den Staatsarchiven festzulegen. Mit dieser vorläufigen Vereinbarung zwischen den Vertretern der AOK und der Landesarchivdirektion gingen beide Seiten in die Diskussion und Abstimmung innerhalb ihrer Verwaltungen.
Zeitpunkt der Abgabe
Eine Übernahme zum jetzigen Zeitpunkt der noch laufenden, ja erst noch anlaufenden Zwangsarbeiteranfragen würde natürlich zu einer großen Arbeitsbelastung innerhalb der baden-württembergischen Staatsarchive führen. Andererseits könne man das Bild der Archive vom reinen Verwahrer von Kulturgut erheblich modifizieren und - so glaubten wir zunächst - die Unterlagen der Forschung sofort zuführen.
Es bestand jedoch Dissens hinsichtlich der Nutzung der arbeitgeberbezogenen Hebelisten und -karteien. Aus der Sicht der AOK ist eine Nutzung durch Dritte - also durch die wissenschaftliche Forschung - erst nach Ablauf der 80jährigen Schutzfrist möglich. Die Nutzung in den Staatsarchiven müsste sich demnach bis maximal 2028 allein auf die Auskunftstätigkeit für ehemalige Zwangsarbeiter beschränken. Die Meinung der Staatsarchive war wieder gefragt. Zwei Staatsarchive sprachen sich für die sofortige Übernahme aus, zwei andere hingegen lehnten dies aufgrund der für die Staatsarchive damit verbundenen erhöhten Arbeitsbelastung ab. Der Argumentation der Befürworter einer sofortigen Übernahme schloss sich die Landesarchivdirektion an. Es bestand auch noch die Hoffnung, dass sich der Landesbeauftragte für den Datenschutz der archivischen Argumentation anschließen würde.
Die Frage der Nutzung - Die Entscheidung
Es ging, ganz verkürzt dargestellt, um die Frage: Unterliegen die Hebelisten dem Sozial- und Betriebs- beziehungsweise Geschäftsgeheimnis? Dies wurde von der Landesarchivdirektion verneint, von der AOK hingegen bejaht.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz schloss sich der Argumentation der AOK an, wies jedoch auch - als zu erwartende Lösung - auf die bevorstehende Änderung des Bundesarchivgesetzes hin. Dann wäre nämlich eine Nutzung für wissenschaftliche Zwecke wieder möglich.
Die Frage der Nutzung - Die Entscheidung
Es ging, ganz verkürzt dargestellt, um die Frage: Unterliegen die Hebelisten dem Sozial- und Betriebs- beziehungsweise Geschäftsgeheimnis? Dies wurde von der Landesarchivdirektion verneint, von der AOK hingegen bejaht.
Der Landesbeauftragte für den Datenschutz schloss sich der Argumentation der AOK an, wies jedoch auch - als zu erwartende Lösung - auf die bevorstehende Änderung des Bundesarchivgesetzes hin. Dann wäre nämlich eine Nutzung für wissenschaftliche Zwecke wieder möglich.
Der Datenschutz schaltet sich erneut ein
Im 21. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz in Baden-Württemberg vom Jahr 2000 fand sich überraschenderweise die vorgesehene Abgabe der AOK Unterlagen an die Staatsarchive thematisiert. Erinnern wir uns noch einmal: Die ganze Aktion war durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz initiiert worden. Nun kam von dieser Seite plötzlich ein neuer Einwand: Eine Abgabe an das Staatsarchiv kann nur erfolgen, wenn dieses sich jeweils gegenüber der Krankenkasse verpflichtet, Auskunftsersuchen von Zwangsarbeitern in gleicher Weise zu entsprechen, wie dies die Krankenkasse selbst tun würde. Damit war die Abgabe an die Archiv an ganz konkrete Bedingungen geknüpft, die allerdings interpretierbar blieben.
Aufbau einer Datenbank als Recherchemittel für die Zwangsarbeiteranfragen
Nun galt es, wieder mit der AOK ins Gespräch zu kommen, um die genauen Abgabemodalitäten zu regeln. Zeitnahe Recherchen in den AOK Unterlagen sind für die Archive auch ohne die Drohung des Datenschützers selbstverständlich. Es wurde aber auch immer deutlicher, dass dies nur mit einer entsprechenden Aufbereitung der Unterlagen in Form einer Datenbank möglich sein konnte. Die zentralen, unabdingbaren Recherchefelder waren:
Arbeitgebername
Sitz des Arbeitgebers
BrancheMit diesem Datenbankmodell gingen wir zusammen mit der AOK Hauptstelle nochmals zu einer AOK Bezirksdirektion. Es ging um die Frage: Wie aufwendig ist die Eingabe der von uns geforderten, aber auch von Seiten der AOK als grundsätzlich notwendig erachteten Daten?
Das Problem - Die Lösung
Die AOK war nun gefragt. Kann sie die Datenbank mit aus ihrer Sicht vertretbarem Aufwand füllen? Oder ist eine andere Lösung zu favorisieren. Nun - die AOK war der Meinung, dass die bislang betriebenen Recherchen mit den hauseigenen, eingearbeiteten Kräften ökonomischer seien, als die Erfassung der gewünschten Daten. Damit schied eine sofortige Abgabe an die Staatsarchive aus.
Wann sollten nun aber diese Unterlagen in die Staatsarchive gelangen? Diese Frage war schnell beantwortet. Anfang 2003, so wurde einvernehmlich vereinbart, kann die Abgabe dieser Unterlagen von bleibendem Wert beginnen. Dann sind die Zwangsarbeiterrecherchen beendet und die Hebelisten können in deutlich vereinfachter Form in einer Datenbank erfasst werden. Die Aufnahme der einzelnen Arbeitgeber und deren Gewerbe ist dann nicht mehr notwendig.
Beide Seiten, AOK und Staatliche Archivverwaltung, sind mit dieser Lösung zufrieden. Werden doch damit alle mit diesen Unterlagen verbundenen Interessen befriedigt. Die Zwangsarbeiteranfragen werden weiterhin durch die AOK rasch und zügig beantwortet. Die Archive sind von dieser zusätzlichen Last befreit. Trotzdem werden diese Unterlagen baldmöglichst in die Archive kommen und können - insofern das Bundesarchivgesetz entsprechend geändert wird - der wissenschaftlichen Nutzung zugeführt werden.
Schlussfolgerung
Das Beispiel der Verhandlungen zwischen AOK und Staatlicher Archivverwaltung Baden-Württemberg belegt, wie wichtig es für Archive ist, aktiv und entschlossen, aber offen für sinnvolle und praktikable Lösungen die archivischen Interessen zu verfolgen. Passives Abwarten hätte hier nicht zu der aus unserer Sicht optimalen Lösung geführt. Nur indem wir mögliche Alternativen von Anfang an mitgeführt haben, waren wir flexibel und konnten im Sinne der Sache Unvorhergesehenes lenken und leiten. Wir agierten und mussten nicht reagieren. Beziehungsweise: Wir konnten mit großem Handlungsspielraum reagieren und haben die Initiative nie verloren. So haben wir aus archivischer Sicht eine sinnvolle Lösung für die baden-württembergischen Staatsarchive und ihre Nutzer erreicht.
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Zwangsarbeiterin fand bei Besuch im Generallandesarchiv wichtige Unterlagen
Von Clemens Rehm
Vier ehemalige polnische Zwangsarbeiter haben am 6. September 2000 im Generallandesarchiv Karlsruhe erstmals Einblicke in ihre Unterlagen nehmen können. Die drei Männer und eine Frau waren Mitglieder einer polnischen Delegation, die sich auf Einladung der Stadt Karlsruhe zu einem einwöchigen Besuch in der Fächerstadt aufhielt. In der ehemaligen badischen Residenz waren während des Zweiten Weltkriegs über 17 000 Zwangsarbeiter vorwiegend aus Polen und Russland beschäftigt gewesen. 600 von ihnen sind während ihrer Fronarbeit gestorben.
"Jetzt habe ich endlich was in den Händen, das zwischen 1942 und 1945 meine Zwangsbeschäftigung in den ehemaligen Waffen- und Munitionsfabriken (DWM) in Karlsruhe bestätigt", sagte die 74 Jahre alte Wanda Klimanska aus Nowa Wioska und strahlte. Die mehrfache Großmutter war 1943 als 17jährige von den Deutschen zum Einsatz als Zwangsarbeiterin aus ihrer Heimat nach Karlsruhe verschleppt worden. Beglaubigte Kopien der Unterlagen konnten auch Marceli Andrzejewski (77), Josef Kasnierski (73) und Eduard Spaleniak (76) in Empfang nehmen.
Die im Generallandesarchiv verwahrten Karteien über ehemalige Zwangsarbeiter waren nach Kriegsende auf Anweisung der Alliierten angelegt worden. Sie enthalten schätzungsweise 45 000 Namen verschleppter Menschen vor allem aus Osteuropa, die zwischen 1940 und 1945 in den Kreisen Karlsruhe und Tauberbischofsheim zur Arbeit unter anderem in Rüstungsindustrie und Landwirtschaft zwangsverpflichtet worden waren.
Seit Beginn der Entschädigungsdiskussion plante das Generallandesarchiv die Anlage einer Datenbank über Zwangsarbeiter in Nordbaden, um Anfragen rasch und zuverlässig beantworten zu können. In diesem Jahr gelang die Umsetzung. Die Datenbank erfasst inzwischen rund 12 000 Personen; sie wird mit Hilfe zweier Sponsoren und in Kooperation mit dem Kreisarchiv Karlsruhe weiter vervollständigt. Probleme bereiten dabei nicht nur die Suche nach Namenslisten, die in Akten der NS-Zeit gelegentlich erhalten sind, sondern auch immer wieder die unterschiedlichen Schreibweisen slawischer Namen durch Hörfehler und irreführende Übertragung aus dem kyrillischen Alphabet. Durch die Mithilfe eines ukrainischen Historikers hofft man im Generallandesarchiv, künftig diese Fehlerquelle beheben zu können.
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Baden-württembergische Archive für Zwangsarbeiteranfragen gerüstet
Ohne die in den Archiven verwahrten Unterlagen könnten die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter den Nachweis über ihre erzwungene Tätigkeit im nationalsozialistischen Deutschland nicht erbringen. Denn in Staats-, Stadt-, Kreis- oder sonstigen Archiven lagern Unterlagen unterschiedlichster Herkunft, die Auskunft über einzelne Zwangsarbeiter geben. Die Archive sind sich der hohen politischen und moralischen Verantwortung bewusst, die mit der Entschädigung von Zwangsarbeitern verbunden ist. Sie stellen sich dieser Verpflichtung mit großem Einsatz sowie unter Zurückstellung anderer Aufgaben. Die Beantwortung der Anfragen der Zwangsarbeiter benötigt enormen Zeitaufwand, da die Unterlagen auf verschiedenste Archive verstreut sowie vielfach unvollständig und nur schwer zu recherchieren sind. Um die Zwangsarbeiteranfragen trotzdem innerhalb weniger Tage in einem möglichst hohem Maß positiv beantworten zu können, mussten neue organisatorische und archivfachliche Verfahren entwickelt werden.
Ein gut durchdachtes Recherchesystem
Mit Hilfe eines durchdachten Recherchesystems werden die einzelnen Anfragen von Archiv zu Archiv solange weitergeleitet, bis ein positiver oder ein definitiv negativer Bescheid erteilt werden kann. Das Rechercheverfahren kann auf zwei Wegen in Gang kommen: Zum einen schicken die Partnerorganisationen, bei denen die Anträge auf Entschädigung zu stellen sind, Sammelanfragen an den Internationalen Suchdienst in Arolsen. Fällt die Recherche dort negativ aus, müssen Anschlussrecherchen in den Archiven erfolgen. Zum anderen können die Betroffenen auch direkt Anfragen an die Archive richten. Das weitere Rechercheverfahren läuft dann zügig nach standardisiertem Ablaufschema ab. Eine zentrale Koordinierungsfunktion für die Anfragen hat in Baden-Württemberg das Hauptstaatsarchiv Stuttgart übernommen. Dort werden gegebenenfalls die Schreiben übersetzt, in Form eines Datenblattes aufbereitet und an die zuständigen Archive in Baden-Württemberg zur Bearbeitung weitergeleitet.
18 000 Einträge aus Namenslisten
Um die Recherchen in den einzelnen Archiven gleichfalls zu optimieren und zu beschleunigen, waren personal- und zeitintensive archivfachliche Maßnahmen erforderlich. Im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Staatsarchiv Freiburg werden sämtliche in den dortigen Unterlagen aufzufindenden Zwangsarbeiter in einer Datenbank erfasst. So sind im Generallandesarchiv Karlsruhe bereits etwa 18.000 Einträgen vor allem aus Namenslisten - Transportverzeichnisse, Krankenlisten, Zuweisungen von "Ostarbeitern" und ähnlichem - nachgewiesen, die in den Akten der Kriegszeit durch detaillierte Suche entdeckt worden sind. Aber auch Karteien der Nachkriegszeit mit circa 60.000 Namen werden in die Datenbank eingearbeitet. Slawische Namen wurden von Deutschen oft falsch geschrieben. Erst mit den EDV-Suchmöglichkeiten lassen sich solche Verballhornungen auch wirklich finden. Das Staatsarchiv Sigmaringen fertigt aufgrund der dortigen Aktenlage ein sachthematisches Inventar zu den Zwangsarbeiterunterlagen an.
Vermehrt entstehen Datenbanken, die das Recherchieren erleichtern
Die baden-württembergischen Kommunalarchive beschäftigt das Thema zum Teil schon seit mehreren Jahren. Bereits vor der Diskussion über die Entschädigung der Zwangsarbeiter haben einige Städte, darunter Friedrichshafen, Karlsruhe, Heilbronn und Reutlingen (schon 1993) die Geschichte der Zwangsarbeit erforscht. In den beiden letztgenannten Städten, in Bietigheim-Bissingen und Friedrichshafen sind auch vor dem Einsetzen der verstärkten Anfragen Datenbanken entstanden, die nun abrufbar sind. Die in den Stadtarchiven geleistete Geschichtsforschung erleichtert also in vielen Fällen die Recherchen in einem ganz erheblichen Umfang. Weitere Datenbanken entstehen derzeit bzw. sind kurz vor dem Abschluss, zum Beispiel in Freiburg, Heidelberg, Pforzheim und Stuttgart. Auch in den Arbeitsgemeinschaften der Stadtarchive beim Städtetag und der Kreisarchive beim Kreistag Baden-Württemberg haben sich die Kommunalarchive wiederholt mit der Thematik befasst und sehen es nach wie vor als eine vorrangige Aufgabe an, die Anfragen zügig zu beantworten. Neben dem aktenmäßigen Nachweis werden häufig auch Plausibilitätserklärungen abgegeben, d.h. wenn sich ehemalige Zwangsarbeiter an Ereignisse oder bestimmte Gebäude erinnern, werden zum Teil aufwendige Recherchen durchgeführt, um die Angaben zu überprüfen und zu bestätigen.
Kooperation und Unterstützung
Durch intensive Kooperation und die Schaffung organisatorischer und archivfachlicher Rahmenbedingungen gelingt es den baden-württembergischen Archiven, Zwangsarbeiteranfragen zügig und effektiv zu bearbeiten. Die einzelnen Projekte wurden zudem vielfach von Seiten der Arbeitsverwaltung durch die Genehmigung von ABM-Stellen dankenswerterweise unterstützt.
Ansprechpartner:
Dr. Jürgen Treffeisen
Tel. 0711/212-4288
E-Mail:Juergen.Treffeisen@la-bw.de