Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts

Antrag auf Wiedergutmachung
Antrag auf Wiedergutmachung des Stuttgarter Widerstandskämpfers und späteren Landtagsabgeordneten Wilhelm Bechtle, LABW StAL EL 350 I Bü 1208.

Wiedergutmachung umschreibt alle Aktivitäten des deutschen Staates zum Ausgleich der Schäden, die den rassisch, religiös oder politisch Verfolgten in der Zeit des Dritten Reichs zugefügt worden waren. Grundsätzlich wird bei den Wiedergutmachungsbemühungen der Nachkriegszeit unterschieden zwischen der individuellen Entschädigung verfolgter Personen und der Rückerstattung von unter Zwangsmaßnahmen veräußerten oder widerrechtlich enteigneten Vermögenswerten an NS-Opfer.

Entschädigung

Bis Ende 1969 konnten Verfolgte oder deren überlebende Angehörige auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) bei den zuständigen Landesämtern für Wiedergutmachung Entschädigung für erlittenes Leid und Verfolgung beantragen – z. B. in Form von Einmalzahlungen, dauerhaften Rentenzahlungen oder Kostenübernahme für gesundheitlichen Behandlungen. Beantragt werden konnte Wiedergutmachung u. a. für Schaden an Leib und Leben, Schäden an Körper und Gesundheit oder Schäden im beruflichen Fortkommen. Zahlreiche Ergänzungen des BEG erweiterten bis 1965 zudem die Gruppe der Anspruchsberechtigten ehe das Recht auf Entschädigung zum 31.12.1969 auslief.

Rückerstattung

Die Akten der Rückerstattung bieten vor allem Informationen über die Vermögensverteilung und den Vermögensentzug vor, während und nach der Zeit der NS-Diktatur und besitzen u. a. hohe Bedeutung für die Erforschung der Herkunft von Kunstwerken und anderen Kulturgütern (Provenienzforschung).

Dieser Bereich des Rechercheratgebers befindet sich noch im Aufbau.

Der vorliegende Rechercheratgeber möchte Ihnen dabei helfen,

  • das Verfolgungsschicksal oder die Lebensgeschichte eines einzelnen Verfolgten des NS-Regimes in Erfahrung zu bringen, oder
  • die Verfolgungsschicksale an einem Ort, in einer Gemeinde zu erforschen, oder
  • nach einer bestimmten Verfolgtengruppe zu recherchieren, oder
  • die Praxis, d. h. die Herausforderungen und Verfahrensweisen bei diesem Versuch der deutschen Verwaltung, nationalsozialistisches Unrecht auf finanziellem Wegen "wieder gut zu machen", zu erforschen.

Vertiefende Informationen über die Geschichte der Wiedergutmachungspraxis in Baden-Württemberg finden Sie auf der Seite LEO-BW.

Welche Unterlagen zur Entschädigung auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes können Sie im Landesarchiv Baden-Württemberg finden?

1. Einzelfallakten zu Entschädigungsverfahren

In Baden-Württemberg waren vier dem Justizministerium unterstellte Landesämter für Wiedergutmachung für die Bearbeitung der Entschädigungsanträge der im jeweiligen Regierungsbezirk ansässigen bzw. verfolgten Personen zuständig. Die Verfahren von der Antragstellung bis zum Entscheid wurden in Einzelfallakten dokumentiert. Die Inhalte ergänzen bzw. ersetzen die oft unvollständig erhaltenen oder gänzlich verloren gegangenen Unterlagen über Deportation, KZ-Haft und Vermögensentzug von Opfern des Nationalsozialismus.

Diese personenbezogenen Aktenbestände der Landesämter wurden seit Anfang der 1990er Jahre sukzessive von den zuständigen Archivabteilungen des Landesarchivs übernommen:

Informationen über mögliche Inhalte und Aufbau von Einzelfallakten der Wiedergutmachung finden Sie im PDF zur Aktenbeschreibung.

Bitte beachten Sie, dass im Falle personenbezogener Einzelfallakten sowohl im Bereich der Entschädigung als auch im Bereich der Rückerstattung teilweise noch Schutzfristen bestehen und eine Akteneinsicht nur unter Einschränkungen oder nicht möglich ist. Die Schutzfristen richten sich nach dem Geburts- bzw. dem Todesdatum der Person, auf die sich die Akte maßgeblich bezieht. Sie sind somit im Besonderen bei einer Antragstellung durch Nachkommen der NS-Opfer häufig noch nicht erloschen.

2. Verwaltungsakten zur Entschädigungspraxis

Bei den Landesämtern für Wiedergutmachung fielen neben den Einzelfallakten auch zahlreiche Verwaltungsakten an, die die Praxis und Verfahrensweise der Behörden dokumentieren und ebenfalls Hinweise zu Einzelfällen enthalten können. Auch diese Akten wurden und werden von den Staatsarchiven bewertet und in Auswahl übernommen:

Während die Verwaltungsaktenbestände in Karlsruhe, Freiburg und Sigmaringen nur wenige Meter umfassen, sind in Ludwigsburg annähernd 100 Meter Aktenmaterial überliefert. Dies hängt damit zusammen, dass das Landesamt für Wiedergutmachung in Stuttgart mit Abstand am längsten, nämlich bis 1992, existierte. Für Fragen zur Verwaltungspraxis bietet sich dieser Bestand daher als Startpunkt an.

In den Sachakten zu finden sind beispielsweise Akten über die Organisation und das Personal der Landesämter, Materialsammlungen, um die Schlüssigkeit von Verfolgungsschicksalen nachzuweisen, und Sammlungen von beispielhaften Urteilen in Wiedergutmachungsfragen. Auch Karteien, Verzeichnisse und Statistiken der Landesämter sind enthalten. Besonders die Karteien sind bei der Identifikation von Personen und zugehöriger Verfahren sehr hilfreich (s. Suche nach Wiedergutmachungsakten von Einzelpersonen). Im Laufe der Jahre 2022/2023 werden zudem die Personalakten der Landesämter in den Bestand Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 II übernommen.