IV. Pergament als Beschreibstoff
Pergament ist einer der ältesten Beschreibstoffe der Menschheit und wurde aus der Haut von Ziegen, Kälbern, Lämmern oder Schafen gewonnen. Die Haut wurde vom Pergamenter spanngetrocknet und ungegerbt verarbeitet. Im trockenen Zustand wurde die Oberfläche mit Schleifmaterialien bearbeitet, um das Pergament für das Schreiben, für den Bucheinband oder für das Bespannen von Trommeln vorzubereiten.
Die Zeilenanfänge und die Initialen wurden häufig farbig und kunstvoll ausgemalt. Die Farbe Rot kehrt in der Farbgestaltung regelmäßig wieder, wobei es sich meist um Zinnober (Quecksilbersulfat) oder Mennige (Bleicarbonat) handelt. Da Pergament wertvoll, aber auch strapazierfähig ist, wurden nicht mehr gebrauchte Pergamente oftmals für Bucheinbände in der zweiten Nutzung wieder verwendet. Als Bucheinbandmaterial unterlagen die hier gezeigten Notenhandschriften einer ungleich höheren Beanspruchung. Gelangen diese Fragmente ins Archiv und zum Restaurator, werden Risse und Fehlstellen geschlossen und eine sachgemäße bestandserhaltende Aufbewahrung bereitgestellt.
Pergamentherstellung
Die Pergamentherstellung hat sich von der Antike bis in die Neuzeit kaum verändert. Pergament wird aus Tierhäuten von Kälbern, Ziegen und Schafen hergestellt. Vor allem Ziegenpergament kann man anhand der Follikel in der Tierhaut erkennen. Als Follikel bezeichnet man die Haarwurzelkanäle, die trotz der aufwändigen Herstellung noch als kleine dunkle Punkte sichtbar sein können.
Für die Pergamentherstellung wird die Tierhaut gesäubert und in einer Kalklauge "geäschert", wodurch sich Ober- und Unterhaut sowie die Haare lösen und die mittlere Hautschicht erhalten wird. Die tierische Haut hat zwei unterschiedliche Seiten, die raue Fleischseite und die eher glatte Haarseite. Die beiden unterschiedlichen Oberflächen bleiben auch im nachfolgenden Bearbeitungsprozess erhalten. Die Haut wird in nassem Zustand über einen Holzblock gelegt. Die Fleischreste und Haare werden mit Messern abgenommen und die Dicke der Tierhaut wird weiter reduziert. Die so vorbereitete Haut wird abschließend gewässert und noch nass in einem Holzrahmen aufgespannt. Die Pergamentherstellung ist nicht zu verwechseln mit den Arbeitsschritten zur Lederfabrikation, obgleich das Ausgangsmaterial in beiden Fällen die Tierhaut ist. Damit ist das eigentliche Pergament geschaffen und wird für das Beschreiben weiter oberflächlich behandelt. Meist im gefeuchteten, aber auch teilweise im trockenen Zustand wird die Oberfläche des Pergaments mit halbmondförmigen Messerklingen aufgeraut und Unebenheiten werden abgeschabt.
Neben Messerklingen werden auch Bimsstein oder Kreide eingesetzt, um eine beschreibfähige Oberfläche zu erhalten. Bei der samtigen Oberfläche, die dadurch erzeugt wird, spricht man von Velours. Das Pergament kann Verletzungen aufweisen, die entweder vom lebenden Tier herrühren oder bei der Präparation verursacht wurden. Entstand ein Riss während der Herstellung oder drohte dieser weiter zu reißen, wurde er mitunter vom Pergamenter selbst genäht.
Die Schreibstube
Das Schreiben, Malen und Binden von sakralen und profanen Texten geschah überwiegend in der Schreibstube, dem Skriptorium. Der Auftraggeber bestimmte die teilweise kostbare Ausführung der Texte. Als Beschreibstoff diente Pergament, welches auf die gewünschte Größe zugeschnitten wurde. Für die Festlegung der Zeilenhöhe und der Zeilengrenzen, des so genannten Satzspiegels, wurde der Blattrand punktiert. Anhand der Punktierung konnte eine Linierung für den Schreibtext vorgenommen werden. Ein Lineal wurde an diese Punkte angelegt. Die eigentliche Linierung geschah mit einem Griffel, bei dem nur Rillen im Pergament sichtbar wurden. Diese Linierung wird als Blindlinierung bezeichnet. Wurde ein Silberstift eingesetzt erscheint die Linierung als feiner grauer Strich. Besonders die Notenlinien in den Musikalienabschnitten wurden farbig mit schwarzen oder roten Farbmitteln ausgeführt.
Der Skriptor begann meist mit schwarzer Tinte den Text zu schreiben und ließ Felder frei für Rubrizierungen, Initialen und Illuminierungen. Die Rubrizierungen, vom Rubrikator ausgeführt, sind die roten aber auch blauen Satzanfänge.
Der Illuminator war verantwortlich für die bildliche Ausgestaltung des Textes, dies umfasst die so genannten Illuminierungen, die Drollerien und die Initialen. Drolerien sind Ausgestaltungen in Form von lustigen Gesichtern oder Figuren in Verbindung mit einzelnen Buchstaben oder zwischen Textpassagen. Die Initialen stellen die Anfangsbuchstaben eines neuen Textblocks dar und sind teilweise aufwändig farbig gestaltet oder sogar mit Blattgold verziert. Für Korrekturen im Text wurden unter Umständen auf dem Pergament Buchstaben ausgekratzt, wodurch rauere Stellen entstanden.
Musikalienfragment als Einbandmaterial
Pergamente, die nicht direkt als Einband wiederverwendet wurden, dienten oft auch als Makulaturpergament. Wenn beispielsweise für Buchbindearbeiten oder dergleichen kleine Stücke Pergament benötigt wurden, schnitt man diese einfach aus den Randbereichen einer Seite heraus – nicht selten sogar aus dem Satzspiegel. Auch bei der Verwendung als Umschlag wurde der originalen Beschriftung der Pergamente üblicherweise keinerlei Bedeutung geschenkt. Um den Umschlag der Buchgröße anzupassen, wurden die Pergamente oft stark beschnitten.
Die Pergamente wurden häufig großflächig auf den Buchdeckeln verklebt oder direkt auf den Buchblock geheftet. Oft sind Heftlöcher und Schlitze für die Heftbünde zu erkennen. Für den Verschluss wurden Schließenbänder oder Kordeln an die Pergamente angeknüpft.
er Buchtitel wurde quer auf das Pergament geschrieben, oft auch direkt über die Noten. Es lässt sich jedoch vermuten, dass in manchen Fällen die originale Beschriftung der Pergamente vom Buchbinder als ästhetisch wertvoll empfunden und in die Gestaltung des Einbandes miteinbezogen wurde.
Das Musikalienfragment als Restaurierungsobjekt
Die Pergamentfragmente haben bis zum heutigen Tag verschiedene Funktionen erfüllt: die originale Verwendung als Buchseiten, später als Bucheinbandmaterial und letztlich vom Buch wieder getrennt in einem eigenen Bestand als Archivalie. Dabei haben all diese Verwendungen ihre Spuren in Form von spezifischen Schäden hinterlassen, die der Restaurator erkennen und gegebenenfalls behandeln muss.
Zu den Schäden gehören mechanischer Abrieb der Seiten durch intensive Benutzung des Buchs, was zum Verlust der Schrift führen kann. Aber auch durch unsachgemäße Lagerung kann es zu Schäden kommen. Insekten und anderem Ungeziefer kann Pergament als Nahrung dienen. An einigen Pergamenten sind Fraßspuren von Nagetieren zu erkennen. Ein Beispiel zeigt die Überreste von Insekten in Form von Puppenhüllen oder Exkrementen von Fliegen.
Eine weitere Schadensquelle ist Wasser, das in das Pergament gelangt und zu Verwerfungen und Deformationen führen kann. Zu den Schäden durch Wasser gehört auch die Bildung von Wasserflecken. Da die meisten Mal- und Schreibmittel nicht wasserfest sind, kommt es im Bereich des sogenannten Wasserschadens zum Ausbluten der Tinte oder der Rubrizierungen.
Das Ausbluten der Farbmittel kann zu einem Abklatsch führen, wenn es in direktem Kontakt zur nächsten Seite liegt. Mit dem Wasser können auch Fremdstoffe in das Pergament eingebracht werden, wie z. B. ein Farbstoff von einem Umschlagmaterial.
Neben den aufgezeigten Schadensfällen, die restauratorisch behandelt werden können, liegt ein weiterer Tätigkeitsbereich des Restaurators in der Bestandserhaltung. Hierbei werden Aufbewahrungskonzepte entwickelt, um die Pergamentobjekte vor zukünftiger Schädigung zu schützen.