"Ich habe stets am Bösen eine Freude gehabt"
Gefängnismauern sind Barbara Schweizer bestens bekannt. Bereits im zarten Alter von neun Jahren sitzt das Mädchen aus Oberriffingen das erste Mal hinter Gittern - weil sie mit einem Lehrgehilfen "Unzucht getrieben" hat. Eine schöne Kindheit war Barbara nicht vergönnt. Im Alter von zwei Jahren verlor sie ihre Mutter, ihr Vater kümmerte sich nicht um die Kleine - sie kam zu Pflegeeltern, wo sie mehr schlecht als recht erzogen wurde. Ihre Jugend verbringt Barbara in Ulm. Sie will nichts lernen und nichts arbeiten und ist wiederum ständig mit fremden Männern unterwegs. Sie entwickelt Zorn und Hass auf alles, das nicht ihrem Willen entspricht. Mit zwölf Jahren wird sie in die Piuspflege in Baindt eingewiesen - und man hofft, die Widerspenstige dort zähmen zu können. Doch diese Hoffnung wird bald zerschlagen. Barbara wirft Kleider in die Latrinen und widersetzt sich ihren Aufgaben.
Sie flieht und zieht durchs Land. Allein zwischen 1852 und 1858 wird Barbara zu zehn Haftstrafen wegen Landstreicherei und Bettelei verurteilt. 1858 weist man die junge Frau ins Zuchthaus Rottenburg ein. Die Vorwürfe sind dieselben: Landstreicherei, Bettelei, Diebstahl. Als "komplett verwahrlost, arbeitsscheu und jähzornig" beschreibt Oberjustizassesor Jeutter die junge Frau. Gut schwäbisch nennt er sie "einen Dackel". Sie neige dazu, ihre Mitgefangenen anzugreifen und zu verletzen. Dadurch verlängert sie allerdings ihren Aufenthalt hinter Gittern. Ihre Haftstrafe wird um weitere drei Jahre verlängert.
Urteile schrecken Barbara nicht von weiteren Taten ab. Kaum ist die Verlängerung der Haft ausgesprochen, geht sie auf einen Aufseher los, beißt ihn und zerkratzt ihm mit ihren Fingernägeln das Gesicht. Die Folge: Weitere vier Monate hinter Gefängnismauern.
In Barbara wächst eine unermessliche Wut heran. Und als ihr eines Tages die Frau des Hausmeisters im Gefängnis in die Quere kommt, beschließt sie kurzerhand, diese zu töten. Am 11. Juni 1860 betritt sie mit einem Beil die Küche des Hausmeisters. Doch nicht dessen Frau trifft sie dort an, sondern lediglich deren Schwiegermutter. Doch Barbara ist wild entschlossen zu töten - und so wird die 65-jährige Marianne Schirmer zum Opfer. Ohne zu zögern schlägt sie auf die 65-Jährige ein, verletzt sie schwer an Kopf und Rücken. Sie ist überzeugt davon, in diesem Moment zu töten. Doch Marianne Schirmer hat Glück. Sie überlebt die Attacke aus dem Hinterhalt. Barbara hingegen sitzt wieder einmal auf der Anklagebank: Am 15. September 1860 wird sie vom Schwurgerichtshof Tübingen zu 14 Jahren Zuchthaus und zu 25 Rutenschlägen verurteilt. Allerdings wurde die Rute dann nur für zehn Schläge gezückt - der württembergische König hatte die Strafe reduzieren lassen.
Barbara wird nach Gotteszell bei Schwäbisch Gmünd versetzt. Und zugleich versucht sie, die Aufseherin auf ihre Seite zu schlagen. Mit ihr sei an sich gut auszukommen, wenn man sie nur stets das machen lasse, was sie wolle - sagt sie zu der 63-jährigen Wilhelmine Stiefbold. Doch die Gefängnisleitung ist offensichtlich unbeeindruckt von ihrer Aussage. Als Barbara unerlaubt ihre Zelle verlässt und den Aufsehern Gewalt androht, machen diese kurzen Prozess: Sie stecken die ungestüme Frau für 14 Tage in eine Dunkelzelle. Selbst das beeindruckt Barbara wenig. Sie wütet im Dunkeln. "Man muss um sein Leben fürchten", meldet die Aufseherin Stiefbold der Gefängnisleitung. Barbara bleibt daraufhin weiter in der Dunkelzelle, danach wagt man nur, sie in Einzelhaft unterzubringen.
Barbara beschließt jedoch, zu töten. Ihre Zelleninsassin Hirl soll sterben. Doch diese wird überraschend begnadigt. Der Hass geht auf die Aufseherin Stiefbold über. Doch wie an diese herankommen? Barbara heckt einen teuflischen Plan aus. Sie täuscht eine Krankheit vor. Und hofft, die Aufseherin müsse sie zum Arzt bringen und sie könne dort ihre Tat vollbringen. Doch Barbara erreicht ihr Ziel nicht schnell genug: Der Arzttermin wird verschoben. Barbara muss im Gefängnishof Teppiche klopfen. Doch dorthin führt sie nicht die Aufseherin, sondern eine andere Wärterin. Wutentbrannt schlägt Barbara auf die Teppiche ein.
Aber Barbara gibt nicht auf. Als sich die Gefangenen am frühen Morgen des 2. Dezember 1861 auf den Weg zum Frühstück machen, reiht sie sich als Letzte ein. Nur die Aufseherin ist noch hinter ihr. Ihr Schuhbändel ist offen. Stiefbold bückt sich, um ihn zu binden. Barbara zückt ihr sorgsam verstecktes Messer und sticht zu. Drei Mal sticht sie auf Wilhelmine Stiefbold ein. Die Aufseherin liegt blutüberströmt auf dem Boden - ist aber noch bei Sinnen. Für Barbara ist damit ihre Tat noch nicht beendet: Sie tritt mit Füßen nach der älteren Frau.
Häftlinge eilen der Aufseherin zur Hilfe. Doch Barbara fuchtelt mit dem Messer wild um sich und verletzt auch Gefangene. Bewusstlos bleibt Wilhelmine Stiefbold am Boden liegen. Zwei Tage später stirbt die 63-Jährige.
Barbara Schweizer wird vor dem Schwurgerichtshof Ellwangen der Prozess gemacht. Die Richter sind erschrocken über die Kaltblütigkeit der jungen Frau: "Ich habe stets am Bösen eine Freude gehabt", sagt sie. Einen Satz wiederholt sie vor Gericht immer wieder: "Ich wäre lieber tot, als 14 Jahre im Zuchthaus zu schmoren."
Die Richter sind sich schnell einig: Barbara Schweizer wird zum Tode durch das Schwert verurteilt. Jetzt keimen zum ersten Mal Zweifel in der jungen Frau auf. Sie beantragt ein Gnadengesuch beim König, das allerdings am 22. Juni 1862 verworfen wird. Am 30. Juli 1862 in den frühen Morgenstunden wird Barbara Schweizer durch den Scharfrichter des Jagstkreises aus Öhringen mit Namen Schwarz hingerichtet.
Der Artikel wurde am 23. Juli 2005 in der Ludwigsburger Kreiszeitung veröffentlicht. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung der LKZ.
Akteneinsicht
Die Akte kann im Staatsarchiv Ludwigsburg unter der Signatur E 342 Bü 17 bestellt und eingesehen werden. Der Lesesaal ist unter der Telefonnummer 07141/18-6337 erreichbar.