Zur Quellenkritik des Aktenbestands zum Kriminalprozess
Eines muss man sich zu all diesen beschlagnahmten Unterlagen bewusst machen: Sie alle wurden aus ihrem Kontext gerissen, so dass der eigentliche Zusammenhang ihrer Entstehung oft gar nicht mehr feststellbar ist. Sie wurden zielgerichtet aufbereitet, um der Anklage als Beweismittel für ein Urteil zu dienen, das von Anfang an feststand.
Ziel der Ankläger war die Beweisführung, dass Karl Alexander seine Politik unter dem schlechten Einfluss Joseph Süß Oppenheimers betrieben hatte, dass letzterer sie als "böser Ratgeber" bestimmt hatte. Der Herzog erscheint dabei als schwache, beeinflussbare Figur.
Hier gibt es einen Schnittpunkt zwischen dem Aktenbestand und den zeitgenössischen Flugschriften, zwischen Überrest und Tradition.
Der Historiker Peter H. Wilson hat jüngst eher beiläufig bemerkt, dass dieses Bild durch den von der Anklage konstruierten Aktenbestand suggeriert wird, dass tatsächlich aber Karl Alexander eine sehr starke Persönlichkeit war, dass er klare Ziele hatte und die Politik bestimmte, während Oppenheimer nur ein Werkzeug in seiner Hand war, dass somit die Rolle Oppenheimers bis heute vielfach stark überschätzt wird.
Bei der Nutzung des Aktenbestandes ist es wichtig, sich frei von tradierten Bildern zu machen und sich quellenkritisch bei der Auswertung einzelner Dokumente ihren Überlieferungszusammenhang und den Entstehungszweck des Aktenbestands zu vergegenwärtigen.
Diese Ausstellung soll an Joseph Süß Oppenheimer und das an ihm verübte Unrecht erinnern, zu einer Beschäftigung mit dem Geschehen anregen und zu einem kritischen Umgang mit der Überlieferung beitragen.